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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Der Angeklagte sei, so lange er bei ihr in Pension war, sehr religiös gewesen. Sie habe erfahren, daß der Angeklagte in Untersuchungshaft den Geistlichen empfangen, gebeichtet und Absolution erhalten habe. – Ein Geschworener: Der Angeklagte hat heute vormittag zugegeben, die Pariser Depesche geschrieben zu haben, weiß Frl. Olga Molitor vielleicht, weshalb der Angeklagte auf alle weiteren diesbezüglichen Fragen die Antwort verweigert hat? – Frl. Olga Molitor: Davon ist mir nichts bekannt. – Pfarrkurat Link (Karlsruhe) bezeichnete es als falsch, daß er dem Angeklagten Absolution erteilt habe.

Oberleutnant Molitor vom 145. Infanterie-Regiment in Metz: Er sei der Sohn der Ermordeten. Als er die Nachricht von dem Tode seiner Mutter erhielt, glaubte er zunächst, seine Mutter sei einem Schlaganfall erlegen. Erst als er in Baden-Baden in die Villa seiner Mutter eingetreten war, habe er erfahren, daß die Mutter erschossen worden sei. Der Verdacht der Täterschaft fiel sofort auf Hau. Nur seine Schwester Lina hielt die Täterschaft ihres Mannes für unmöglich. Sie sagte: Ihr Mann habe so viel Feinde, daß die Tat jemand begangen haben könne, um den Verdacht auf ihren Mann zu lenken. Schließlich habe sie aber nicht mehr an die Schuldlosigkeit ihres Mannes geglaubt. – Vors.: Es ist Ihnen bekannt, daß Ihre verstorbene Frau Mutter ein Telegramm aus Paris erhalten hat, in dem sie aufgefordert wurde, mit dem nächsten Zuge nach Paris zu kommen. Hätte Ihre Frau Mutter den nächsten Zug benützt, dann wäre sie abends nach 10 Uhr auf dem Ostbahnhof in Paris angekommen. Der Angeklagte hat gestern zugegeben, das Telegramm geschrieben zu haben und zwar, um die Entfernung Ihrer Schwester Olga zu bewirken. Haben Sie irgend etwas wahrgenommen, was auf nähere Beziehungen zwischen Ihrer Schwester Olga und dem Angeklagten schließen ließe? – Zeuge: Nein. – Der Zeuge gab alsdann näheren Aufschluß über den Leichenbefund seiner Schwester Lina, Gattin des Angeklagten, die sich bekanntlich am 7. Juni 1907 im Pfäffikoner See in der Schweiz ertränkt hat.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)