Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
|
habe wohl gehört, daß Sternberg mit Frida Woyda Unsittlichkeiten vorgenommen habe, gesehen habe sie es aber nicht. – Frau Emilie Besser, die Tante der Frida Woyda, gab an: Frida habe zugestanden, daß sie mit Sternberg fünf- bis sechsmal unzüchtig verkehrt habe. – Frida Woyda, vom Vorsitzenden nochmals ermahnt, die Wahrheit zu sagen, bemerkte: Ich habe damals gelogen, ich sage jetzt die Wahrheit. Frau Besser stellte sich hierauf dicht neben Frida Woyda und brach unter Tränen in die Worte aus: „Frida, sieh mich doch mal an, Kind, du weißt, daß ich dich immer lieb gehabt habe, denke ich sei deine Mutter und sage endlich die Wahrheit!“ Das Kind zeigte keine Spur von irgendeiner Gemütsbewegung, es wiederholte ständig: Was ich jetzt sage, ist wahr. – Vors.: Frau Besser, entsinnen Sie sich jetzt? – Zeugin Besser: Jawohl, das Kind weinte und sagte, es wäre alles wahr. – Vors.: Frida, und du willst behaupten, du hättest damals gelogen? – Frida: Ja. – Vors.: Setze dich wieder hin. – Der folgende Zeuge, der 14jährige Knabe Hermann Burke, hat früher mit der Minna Teichert gespielt und ist dann mit ihr gemeinsam auf den Blumenhandel gegangen. Während dieser Zeit habe er wiederholt bemerkt, daß die damals 13jährige Minna Teichert Herren auf der Straße Blicke zugeworfen habe und auch einmal mit einem Herrn in der Droschke davongefahren sei. Die Teichert habe damals ein halblanges Kleid getragen und im ganzen den Eindruck eines Schulmädchens gemacht. – Der Vorsitzende ließ die Zeugin Miller-Fischer vorrufen. – Staatsanwalt Braut: Haben Sie vor dem Notar Kemptner in New York nicht zwei Aussagen in der Sternbergschen Sache sich beglaubigen lassen, die eine belastend und die andere entlastend, und haben Sie nicht die entlastende Aussage Herrn Justizrat Dr. Sello in einem Briefe zugeschickt, in welchem noch ein Privatbrief an den Angeklagten Sternberg lag? Sie sollen eine dahin gehende eidliche Aussage gestern vor dem Untersuchungsrichter Herrn Brandt gemacht haben? – Zeugin: Sie sei eines Tages von
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/292&oldid=- (Version vom 31.7.2018)