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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Dr. Sello habe ihm erklärt, er werde die Sache Herrn Sternberg unterbreiten, und dieser habe, wenn er sich recht besinne, darauf keine zusagende Antwort erteilt, sondern gesagt, er werde es sich überlegen. Auf Befragen erklärte der Zeuge schließlich, daß in der ersten Verhandlung nichts festgestellt wurde, daß das, was Schulze ermittelte, falsch war. Richtig sei es auch, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Störmer in der vorigen Verhandlung die Verteidiger die Freisprechung des Angeklagten für sehr wahrscheinlich hielten.

Es wurden noch einige kleine Mädchen als Zeuginnen vernommen, die nach längerem Zögern bekundeten, daß sie in der Fischerschen Wohnung mit Sternberg in unzüchtiger Weise verkehrt hätten. Auch diese Mädchen mußten zugeben, daß sie bereits mit 13 Jahren sich der Prostitution ergeben hatten. – Schriftsteller Ludwig Rittershaus bekundete: Er sei ein Freund des Sternbergschen Hauses und kenne Herrn Sternberg seit etwa 10 Jahren. Als letzterer verhaftet wurde, sei Frau Sternberg in größter Aufregung gewesen. Sie erklärte: sie traue ihrem Mann ein solches Verbrechen nicht zu, und äußerte den Wunsch, daß nach dem Leumund des betreffenden kleinen Mädchens Ermittelungen angestellt werden möchten. Die von ihm (Zeugen) angestellten Nachforschungen bezüglich der Frida Woyda seien sehr ungünstig ausgefallen. Letztere sei ihm als lügenhaft und zu allen möglichen Schlechtigkeiten geneigt, geschildert worden. Er habe Herrn Sternberg als einen Mann von außerordentlich kühler Überlegung kennen gelernt. Auf weiteres Befragen der Verteidigung bekundete der Zeuge, daß Herr Sternberg öfter mit ihm über die Anlage seines Vermögens gesprochen und ihm große soziale Pläne entwickelt habe, die sich beispielsweise auf eine ausführliche Fürsorge für Arbeitslose erstreckten. – Auf Antrag des Rechtsanwalts Dr. Werthauer wurde der Zeuge gefragt, ob er auf Grund seiner Tätigkeit in dieser Sache Herrn Sternberg für schuldig oder unschuldig gehalten habe. Der Zeuge erklärte, daß er ihn für unschuldig gehalten habe.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/276&oldid=- (Version vom 31.7.2018)