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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

gemessen wurde, wie der arme, sondern daß von Anfang an mit besonderer Schärfe gegen ihn vorgegangen und er schlechter gestellt wurde, wie der arme Mann. Ist dem Zeugen auch nur ein einziger Fall bekannt, in welchem die Agenten des Herrn Schulze oder dieser selbst irgend einem Zeugen zugeredet haben, die Unwahrheit zu sagen? – Zeuge: Ich kann mich eines bestimmten Falles nicht erinnern. –

Alsdann wurde Frida Woyda dem Geheimrat Dr. Romen gegenübergestellt. Dieser richtete in sehr nachdrücklicher Form eine Reihe von Fragen an das Mädchen, die darauf hinausliefen, ob es ihm ins Gesicht sagen wolle, daß es ihm früher auf alle seine väterlichen Ermahnungen die Unwahrheit gesagt habe. Das Mädchen blieb dabei, daß es früher die Unwahrheit gesagt habe. Auf die Frage: weshalb, verwies sie wieder auf Stierstädter. – Der Vorsitzende bemerkte alsdann: Ein weiteres Eindringen auf das Mädchen halte er für überflüssig und zwecklos. – Der folgende Zeuge war Justizrat Dr. Kleinholz, der in der ersten Verhandlung die Verteidigung mitgeführt hatte. Er bekundete: Ihm sei namentlich in Erinnerung, daß Frida Woyda behauptet habe, mit Gewalt zu dem unzüchtigen Akt bewogen worden zu sein. Er habe damals dem Mädchen nicht geglaubt, sondern direkt den Eindruck gehabt, als ob es stark gelogen habe. Er habe aus der ganzen Beweisaufnahme entnommen, daß das Mädchen eine eigentümliche und fruchtbringende Phantasie besitze und daß ein Kind, welches schon selbst unzüchtige Handlungen mit kleinen Knaben vorgenommen, in bezug auf seine Glaubwürdigkeit auf solchem Gebiete sehr ängstlich zu prüfen sei. Ihm sei es sehr eigentümlich erschienen, daß ein Kind, dem so etwas Schreckliches passiert sein soll, keinem Menschen etwas davon gesagt haben sollte, ja, daß ein solches Kind, dem bei Fischers mit „Gewalt“ böses Unrecht zugefügt sein sollte, bitten konnte, es doch dort zu lassen, da sie es dort sehr gut hätte. Auf Befragen des Vorsitzenden, wie er sich denn vorstelle, daß ein Kind sich alle von ihm bekundeten Einzelheiten ausdenken könne,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/274&oldid=- (Version vom 31.7.2018)