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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

widersprechen aber doch in verschiedenen wesentlichen Punkten den Aussagen der Polizeibeamten über deine Vernehmung. Bist du etwa von irgendeiner Seite eingeschüchtert und beeinflußt worden! – Zeugin: Nein. – Vors.: Herr v. Tresckow, entsinnen Sie sich, ob die Frida Woyda in der vorigen Hauptverhandlung ebenso leise gesprochen hat wie heute? – Zeuge v. Tresckow: Die Zeugin ist heute absolut nicht wiederzuerkennen. Sie hat in der vorigen Verhandlung zwar nicht mit erhobener, aber doch mit verständlicher Stimme ihre Aussagen gemacht.

Am folgenden Tage wurde Frida Woyda nochmals vorgerufen und vom Vorsitzenden wiederum eingehend vernommen. Sie blieb bei ihrer Darstellung, daß alles, was sie das vorige Mal bekundet habe, unwahr sei und daß sie nunmehr die reine Wahrheit gesagt habe. Der Vorsitzende gab sich die erdenklichste Mühe, aus dem Mädchen herauszubekommen, wie sie die ganz ungeheuerliche Tatsache erklären wolle, daß sie das vorige Mal angeblich so kolossal gelogen habe. Das Mädchen wurde vom Vorsitzenden eindringlichst und mit väterlichem Ernst, unter Hinweis auf die Religion und das schwere Unrecht, welches im falschen Zeugnis liege, zur Wahrheit ermahnt. Die Zeugin blieb aber dabei, daß sie das vorige Mal zumeist nur das gesagt, was ihr Stierstädter vorerzählt habe. Stierstädter habe, wie sie behauptet, ihr einmal auch gesagt: „Wenn du das nicht alles aussagst, dann kommt deine Schwester wegen Begünstigung heran.“ – Auf weiteres Befragen des Vorsitzenden bemerkte Frida Woyda: Die Angeklagte Scheding hat mich nicht aufgefordert, etwas Unwahres zu sagen. Sie hat nur gesagt: ich solle nicht lügen, sondern die Wahrheit sagen. Es wäre nicht hübsch, wenn ich durch Lügen einen so großen Mann ins Gefängnis brächte. Wenn ich lüge, würden meine toten Eltern aus dem Grabe kommen und mich warnen. Der Vorsitzende hielt dem Mädchen vor, daß es selbst mit kleinen Jungen Dummheiten gemacht habe. Sie wollte sich nicht darauf besinnen können. Weitere Fragen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/251&oldid=- (Version vom 1.8.2018)