Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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Frauen der verschiedensten Gesellschaftsklassen dazu drängten, die Belastungszeugen zugunsten Sternbergs zu beeinflussen, in der Erwartung, von Sternberg eine hohe Belohnung zu erhalten. Andererseits hetzte eine gewisse Presse in ganz furchtbarer Weise gegen den „sittenlosen Juden.“ Es wurden aber auch die ärgsten Verleumdungen gegen die Staatsanwaltschaft, den Gerichtshof, die Verteidiger, ja selbst gegen die Mitglieder des zweiten Strafsenats des Reichsgerichts erhoben. Es wurde tatsächlich die ungeheuerliche Behauptung ausgesprochen, alle Gerichtsbehörden, selbst Mitglieder des höchsten deutschen Gerichtshofes seien für Sternbergsches Geld nicht unzugänglich. Kriminalkommissar Thiel, der zunächst die Stierstädterschen Behauptungen eidlich in Abrede stellte, mußte schließlich zugeben, daß Stierstädter die volle Wahrheit gesagt, daß er (Thiel) einer Zeugenvernehmung in Sachen Sternberg im Zimmer des Kriminalkommissars v. Tresckow beigewohnt und außerdem Akten in dieser Sache eingesehen und auf Grund dieser Informationen den Generalbevollmächtigten des Sternberg, Bergwerksdirektor Luppa unterrichtet habe. Er habe in Gemeinschaft mit Luppa den Versuch unternommen, zugunsten Sternbergs Zeugen zu beeinflussen. Dafür habe er von Luppa 8000 M. erhalten. – Polizeidirektor v. Meerscheidt-Hüllessem mußte zeugeneidlich zugeben, daß er dem Kriminalschutzmann Stierstädter untersagt hatte, in Sachen Sternberg, ohne ausdrückliches Einverständnis seines Kommissars, Nachforschungen anzustellen, obwohl dem Stierstädter diese Nachforschungen vom Staatsanwalt Dr. Romen aufgetragen waren. Der Polizeidirektor mußte ferner zugeben, daß er in der Sternbergschen Villa freundschaftlich verkehrt und daß Sternberg ihm einmal auf seine auf Insel Rügen belegenen Villa eine Hypothek gegeben habe, die allerdings nach erfolgter Verhaftung Sternbergs sofort zur Löschung gebracht worden sei. Polizeidirektor v. Meerscheidt-Hüllessem mußte endlich zugeben, daß er sich, obwohl er nicht dazu befugt war, Sternberg nach dessen
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/242&oldid=- (Version vom 1.8.2018)