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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

und nächtelang gegenüber dem Hause Alexandrinenstraße 1 b aufgestellt, um das Treiben in der Fischerschen Wohnung, in der noch mehrere andere Herren zu gleichem Zwecke wie Sternberg verkehrt haben sollen, zu beobachten. Er wurde aber auch beschuldigt, kleine Zeuginnen in unzulässiger Weise beeinflußt zu haben. Am zweiten Tage der Verhandlung wurde Kriminalschutzmann Stierstädter als Zeuge vernommen. Er bekundete u. a.: Kriminalkommissar Thiel, der vorübergehend früher einmal die Abteilung vertrat, in der ich arbei- tete, hat viermal mit mir über die Sternbergsche Angelegenheit gesprochen. Zunächst lud er mich zu seinem Geburtstag ein und wir waren dann mehrere Male in besseren Restaurants zusammen. Er hat dabei immer gefragt, wie die Sternbergsche Sache eigentlich stehe. Da Kommissar Thiel mein Vorgesetzter war, habe ich ihm vieles darüber gesagt. Bei einer dieser Zusammenkünfte, als wir Rebhuhn aßen, hat mir Herr Thiel die Frage vorgelegt: Sagen Sie mal, sind Sie denn nicht auf andere Gedanken zu bringen? Ich fragte: Wieso? Darauf sagte Kommissar Thiel: Man muß doch ein menschliches Gefühl haben. Sehen Sie, Sternberg sitzt nun schon so lange. Denken Sie sich einmal, Sie erhalten 200 000 M. und schwimmen nach dem Genfer See ab, was meinen Sie, ob Sie mich dann noch ansehen werden, wenn ich Sie dann besuche? – Vors.: Waren Sie denn damals nüchtern? – Zeuge: Ja. – Vors.: Was haben Sie Herrn Thiel geantwortet? – Zeuge: Ich sagte: Ja, wenn ich von Anfang an nicht meine Pflicht erfüllt hätte, dann könnte ich wohl ein reicher Mann sein. Stierstädter bemerkte ferner seinem Vorgesetzten: Das Sternbergsche Geld könne ihn nicht blenden. Er werde Tag und Nacht arbeiten, der Jude muß ins Zuchthaus. – Beiläufig bemerkt war Sternberg kein Jude, sondern rein germanischer Abstammung. Er entstammte einer alten Protestantenfamilie aus Frankfurt a. Main. Allein der Umstand, daß er Sternberg hieß und 18 Millionen sein eigen nannte, war die Veranlassung, daß sich auf der einen Seite zahllose Menschen, Männer und

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/241&oldid=- (Version vom 1.8.2018)