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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

sie auch vom Standpunkte der Moral verurteilen mag, ließen in diesen Abgrund blicken, sondern ganz besonders die Korruption, die dieser Prozeß zur Folge hatte. August Sternberg, damals wohl etwa 45 Jahre alt, spielte in Berliner Finanzkreisen keine unbedeutende Rolle. Er hatte es in verhältnismäßig sehr jungen Jahren von einem mittellosen Bankangestellten zu einem sehr vermögenden Bankier gebracht. Als er im Oktober 1897 wegen Verletzung des Aktiengesetzes angeklagt war, wurde rechnerisch vor Gericht durch Sachverständige festgestellt, daß er ein Vermögen von 18 Millionen Mark besitzt. Sternberg, persönlich ein sehr liebenswürdiger, schöner Mann mit blondem Haupthaar und kurz geschnittenem Vollbart, war mit der Tochter eines Oberst vermählt. Er war an einer Reihe von guten industriellen Unternehmungen, Berg- und Eisenwerken, Kleinbahnen und Straßenbahnen in hervorragender Weise beteiligt. Er hatte u. a. die Dampfbahn, die die Residenzstadt Kassel mit Wilhelmshöhe verbindet und viele andere industrielle Unternehmungen ins Leben gerufen; er hatte alle Anwartschaft ein deutscher Harriman oder Vanderbilt zu werden. Allein ein griechischer Philosoph sagte einmal: „Niemand ist vor seinem Tode glücklich zu preisen.“ Am 26. Januar 1900 durcheilte die Welt die Kunde, August Sternberg ist wegen Sittlichkeitsverfehlungen verhaftet. Der große Finanzmann mußte seine feenhaft schöne Villa mit einer kleinen düsteren Zelle des Moabiter Untersuchungsgefängnisses vertauschen. Er wurde beschuldigt, in der in der Alexandrinenstraße 1b belegenen Wohnung der Masseuse Margaretha Fischer mit Mädchen unter 14 Jahren unzüchtigen Verkehr unterhalten zu haben. Die Fischer soll durch Zeitungsinserate junge, hübsche Mädchen als Modelle für einen Maler gesucht haben. Auf Grund dieser Inserate meldeten sich zahlreiche hübsche Mädchen in noch sehr jugendlichem Alter. Die Fischer soll diese Mädchen Herrn Sternberg und anderen Herren als Malermodelle zugeführt haben. Sternberg wurde den Mädchen als Maler aus Frankfurt

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/238&oldid=- (Version vom 31.7.2018)