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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

gesagt, denn er hat den Überfall auf Mooseder‚ auf Scheurer und die Schießerei in Paar bestritten. Aber Kneißl ist nicht ganz so schlecht, wie ihn der Herr Staatsanwalt geschildert hat. Als er nach einigen Tagen gefährlich erkrankte, so daß er glaubte, er werde sterben müssen, da widerrief er sein Geständnis. Da schlug ihm offenbar sein Gewissen. Er wollte nicht, daß Rieger seinetwegen unschuldig bestraft wird. Daß zwei Familienväter, pflichttreue Beamte in der Ausübung ihrer schweren Amtspflicht niedergeschossen wurden, daran hat wahrlich Rieger keine Schuld. Dessen Handlungsweise hätte einem gewiegten Kriminalbeamten alle Ehre gemacht. Ich kann aber leider den erschossenen Gendarmen den Vorwurf der Unvorsichtigkeit nicht ersparen. Denn wenn man einen solch gefährlichen Räuber wie Kneißl fangen will, dann muß man einen Operationsplan machen. Und Zeit genug haben die Gendarmen dazu gehabt. Sie hatten eine volle Stunde nach Irchenbrunn zu gehen. Aber auf diesem langen Wege soll, wie die Zeugen bekundeten‚ zwischen den zwei Gendarmen nicht ein Wort gewechselt worden sein, angeblich weil zwischen ihnen nicht das beste Einvernehmen herrschte. Als die Gendarmen mit den sechs jungen Bauernburschen in die Nähe des Riegerschen Hauses kamen, da sagte Brandmeier zu den jungen Leuten: Geht ihr nur voran, wir kommen nach und haben scharf geladen. Wenn er euch was tut, dann schießen wir ihn nieder. Ja, den Gendarmen mußte es doch bekannt gewesen sein, daß Kneißl stets mit Schußwaffen versehen war. Es wird weiter gesagt: Wenn Rieger nicht mit Kneißl unter einer Decke gesteckt hätte, dann hätte er ihn festnehmen müssen. Was zwei bewaffneten Gendarmen und sechs kräftigen Bauernburschen nicht gelang, sollte dem Rieger allein gelingen. Es ist leider selbst in ausländischen Zeitungen behauptet worden: Die oberbayrische Landbevölkerung lehne sich gern gegen die Organe der Obrigkeit auf. Zur Ehre unserer Landbevölkerung muß ich das als eine gemeine Lüge bezeichnen. Unsere Landbevölkerung ist gottesfürchtig

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/231&oldid=- (Version vom 1.8.2018)