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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

haben würde. Nun sagt der Herr Staatsanwalt: Der Angeklagte hat zugestanden: Der Flecklbauer ist an allem schuld, als er seinen Tod nahen fühlte. Das angebliche Geständnis des Kneißl ist menschlich erklärlich. Er wurde, nachdem er zwei Tage lang gehungert und gefroren hatte, in furchtbarster Weise verletzt. Obwohl er furchtbare Schmerzen gehabt hat, wurde er von den Gendarmen heftig geschlagen. Deshalb sagte er: Um wenigstens den Mißhandlungen zu entgehen, wälze ich alle Schuld auf Rieger. Und siehe da, das Mittel wirkte. Die Gendarmen nahmen von weiteren Mißhandlungen Abstand und es wurde ihm sogar ein Labetrunk gereicht. Und dieses Geständnis hat er bei dem Untersuchungsrichter wiederholt. Aber niemals ist ein Untersuchungsrichter so angelogen worden, wie in diesem Falle von Kneißl. Rieger habe zu ihm gesagt: „Ich habe die Gendarmen holen lassen, es kommen alle drei.“ Wer der dritte sein sollte, konnten wir nicht erfahren. Rieger soll weiter gesagt haben: „Du schießt sie nieder, du tust es nicht umsonst, und wenn es mein halbes Häusel kostet, die haben mich genug angezeigt. Niemand weiß etwas davon, ich sage nichts davon.“ Gibt es einen größeren Blödsinn? Ist man der Meinung: Rieger wollte mit Kneißl zum Notar gehen und ihm eine Hypothek auf sein Häusel schreiben lassen? Denn bar Geld hatte Rieger nicht. Und was für ein Blödsinn ist die Behauptung, Rieger habe gesagt: Du schießt die drei Gendarmen nieder und niemand weiß etwas davon? Was soll das heißen? Wenn Kneißl in seiner Wohnung drei Gendarmen erschießt, dann erfährt niemand etwas davon? Und was sagte Kneißl weiter: Ich dachte mir, wenn die drei Gendarmen kommen, dann schieße ich halt auf den Boden und lauf davon. Meine Herren Geschworenen! Können Sie sich einen größeren Blödsinn denken? Kneißl hat aber, als er dies Geständnis machte, nicht seinen Tod nahen sehen, denn er ist wenige Stunden darauf von dem Pfarrer überrascht worden, als er seine Hand um eine junge schwarze Schwester geschlungen hatte. Aber er hat auch nicht die Wahrheit

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/230&oldid=- (Version vom 31.7.2018)