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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

wurden vom Pfarrer und Lehrer stets „Pascolinis“ genannt. –

Am fünften Verhandlungstage nahm das Wort zur Schuldfrage Staatsanwalt Dr. Farnbacher: Meine Herren Geschworenen! Seit langer Zeit hat ein Strafprozeß in Bayern kein so großes Interesse erweckt als dieser Prozeß Kneißl, und zwar einmal wegen der von Kneißl verübten Verbrechen und der Persönlichkeit des Angeklagten, andererseits aber auch, da es dem Kneißl gelungen war, sich, obwohl sich seine verbrecherische Tätigkeit auf ein verhältnismäßig kleines Gebiet beschränkte, monatelang der Ergreifung zu entziehen, und endlich wegen der Art der Gefangennahme des Kneißl. Ich habe nur wegen der schwersten Verbrechen Anklage erhoben. Ich hätte noch mindestens wegen 20 weiterer Verbrechen Anklage erheben können, ich sagte mir aber, bei so furchtbaren Verbrechen kommt es auf einen Diebstahl, eine Bedrohung, einen Jagdfrevel mehr nicht an. Ich wollte deshalb allen Ballast vermeiden. Aber auch die Persönlichkeit des Angeklagten ist nicht geeignet, Interesse zu erwecken. Man kann durchaus nicht sagen, Kneißl ist wohl ein kühner Räuber und Mörder, dessen Taten zu verdammen sind, aber letztere zeigen immerhin Mut und kühne Entschlossenheit. Nein, meine Herren. Kneißl war ein feiger, hinterlistiger Räuber und Meuchelmörder. Es wurden über die Taten des Angeklagten die absonderlichsten Ansichten geäußert. Es wurde einmal gesagt: Der Angeklagte habe nur aus Notwehr gehandelt, andererseits: Kneißl müsse ohne weiteres aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen werden. Uns darf die öffentliche Meinung in keiner Weise kümmern. Ihre Pflicht ist es, nur das zu prüfen, was Gegenstand der Hauptverhandlung war. Darin stimme ich der vielfach geäußerten Ansicht bei: Kneißl muß aus der menschlichen Gesellschaft ausgemerzt werden, 15 Jahre Zuchthaus wäre für ihn keine entsprechende Strafe. Ich habe, nachdem ich die Akten aufs sorgfältigste studiert hatte, aus voller Überzeugung die Anklage

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/225&oldid=- (Version vom 1.8.2018)