Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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war, entstammte einer alten Verbrecherfamilie. Sein Vater, ein Müllermeister, war der Besitzer der „Schachermühle“ in Unterweikertshofen, die schon vor Jahrzehnten allem Räubergesindel als Unterschlupf gedient hatte. Der Vater starb auf dem Transport nach dem Gefängnis, die Mutter war wegen Hehlerei und Diebstahls mit langjährigem Gefängnis bestraft. Der Oheim des Kneißl, namens Pascolini, war bereits vor 40 Jahren der gefürchtetste Räuberhauptmann in Oberbayern. Er ist auf dem Schafott gestorben. Kneißl war der Familientradition treu geblieben. Schon in der Schule hatten die Lehrer große Not mit dem trotzigen, zu Gewalttätigkeiten neigenden Knaben. Im Jahre 1891, als er kaum 16 Jahre alt war, wurde er wegen Jagdfrevels bestraft. 1892 verübte er mit seinem jüngeren Bruder einen höchst verwegenen Einbruchsdiebstahl. Als Gendarmen in die „Schachermühle“ drangen, um die beiden „Kneißlbuben“ oder „Pascolinis“, wie sie im Dorfe genannt wurden, zu verhaften, wurden sie von den beiden jugendlichen Einbrechern mit Gewehrschüssen empfangen und zum Teil ganz erheblich verletzt. Erst nach heftiger Gegenwehr gelang es den Gendarmen, die jugendlichen Verbrecher zur Haft zu bringen. Sie wurden beide zu langjährigem Gefängnis verurteilt. Als Mathias Kneißl im Februar 1899 aus dem Gefängnis entlassen war, arbeitete er als Schreinergeselle. Obwohl er wegen seines jugendlichen Alters nicht zur Zulässigkeit von Polizeiaufsicht verurteilt werden konnte, wurde er von der Polizei beobachtet. Dadurch wurde seine Vergangenheit sehr bald bekannt. Er ging infolgedessen immer nach kurzer Zeit seiner Arbeit verlustig. Bei einem Meister arbeitete er sieben volle Monate. Der Meister war mit dem Fleiß und der Geschicklichkeit Kneißls sehr zufrieden. Eines Tages kam ein Gendarm, sich nach Kneißl zu erkundigen. Der Meister hätte trotzdem den tüchtigen und fleißigen Gesellen sehr gern behalten, er war aber genötigt, ihn zu entlassen, da die anderen Gesellen sich weigerten, noch länger mit dem Verbrecher zusammenzuarbeiten.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/207&oldid=- (Version vom 31.7.2018)