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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Räuberhauptmann Kneißl vor dem Schwurgericht.

Noch in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hörte man von großen Räuberbanden, die in den verschiedensten Gegenden des Deutschen Reiches und der Nachbarländer auftauchten. Der Fortschritt der Zeit hat auch das Räuberleben der Romantik entkleidet. Es ist den Räubern kaum noch möglich, im Waldesdickicht ihr Heim aufzuschlagen. Infolge der vielen Verkehrsmittel haben die Landbewohner nicht mehr nötig, durch den Wald zu gehen, um in ihr Heim zu gelangen. An der Wende des zwanzigsten Jahrhunderts tauchte in Oberbayern der bekannte Räuber Matthias Kneißl auf, der ganz in moderner Form, auf einem eleganten Zweirad, mit Dolchen, Gewehren, Revolvern und Patronen ausgerüstet, die Lande durchstreifte. Kneißl war lange Zeit der Schrecken der Bewohner eines Teiles von Oberbayern. Obwohl er keine Bande zu kommandieren hatte, sondern zumeist auf eigene Faust seine Raubzüge unternahm‚ so verstand er es dennoch, die Dorfbewohner derartig in Angst und Schrecken zu setzen, daß diese ihm vielfach Obdach und Verpflegung gewährten und ihn vor den ihn verfolgenden Gendarmen verbargen, weil sie seine Rache fürchteten. Dies mag wohl auch die Ursache gewesen sein, daß, obwohl 1000 M. Belohnung auf die Ergreifung des „zweiten Bayerschen Hiesel“, wie er sich selbst mit Vorliebe nannte, ausgesetzt war und obwohl Gendarmen- und Schutzmannspatrouillen, zum Teil ebenfalls per Rad, den kühnen Räuber Tag und Nacht verfolgten, es letzterem dennoch möglich war, sich lange seinen Verfolgern zu entziehen. Kneißl, der am 25. Oktober 1875 zu Unterweikertshofen geboren

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/206&oldid=- (Version vom 1.8.2018)