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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Prozeß mit einem Skatspiel ohne Atouts verglichen. Ob dieser Vergleich sehr geschmackvoll war, überlasse ich Ihrem Urteil, aber der Herr Verteidiger hat zugeben müssen, daß auch ein Spiel ohne Atouts unter Umständen gewonnen werden kann. Ich meine, damit hat er sich selbst und seine Ansicht von der Wertlosigkeit des Indizienbeweises widerlegt. Der eine Herr Verteidiger hat das Stimmungs-Erzeugen verworfen, der andere hat uns aber hier die Geschichte von einem unschuldig zum Tode verurteilten Postillon erzählt, der nur noch durch einen glücklichen Zufall von dem Schaffot gerettet wurde. War das etwas anderes als Stimmungs-Erzeugung? Der eine Herr ruft: Halt vor dem Eide – – bei den Zeuginnen Knappe und Jeschke, er öffnet aber die Barriere und läßt freie Bahn vor dem Eide des alten Koschemann und des Zeugen Brede. Meine Herren! Das römische Recht und das englische Recht gehen Sie gar nichts an, wir haben es hier allein mit dem deutschen Strafrecht zu tun. Gehen Sie an die Beratung frei, ohne Menschenfurcht, aber auch ohne Menschenhaß. Auch das war ein goldenes Wort des einen Herrn Verteidigers: „Haben die Angeklagten die Tat begangen, so soll ihnen auch ihr Recht werden.“ Jawohl, auch wenn das Recht das Zuchthaus ist. Handeln Sie nach Recht und Gerechtigkeit.

Nach etwa zweistündiger Beratung bejahten die Geschworenen bezüglich Koschemann die Schuldfragen wegen Beihilfe zum versuchten Morde und der Beihilfe zum Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz, bezüglich Westphal wegen Begünstigung des Koschemann nach geschehener Tat, um ihn der Bestrafung zu entziehen. Die Schuldfragen bezüglich der anderen Angeklagten wurden verneint. – Staatsanwalt Kanzow beantragte gegen Koschemann mit Rücksicht darauf, daß er einerseits noch jung und ein verrannter Fanatiker sei, andererseits aber ein schweres Verbrechen vorliege und es erforderlich sei, vor ähnlichen Verbrechen abzuschrecken, unter Einrechnung der neunmonatlichen Gefängnisstrafe‚

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/204&oldid=- (Version vom 31.7.2018)