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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Kiste zu tun gehabt hat, die Anklagebehörde operiert mit keiner positiven Tatsache, sondern lediglich mit Indizien. Es ist mit dieser Verhandlung wie in einer Premiere, wo man vier Akte hindurch allerlei Dinge an sich vorüberziehen sieht und man beim Fallen des Vorhanges ganz erstaunt sitzen bleibt, in der Meinung, daß der Haupteffekt nun erst kommen soll. Auch bei dieser Verhandlung kann man nach dem, was sieben Tage hindurch vorgeführt wurde, sich schließlich erstaunt fragen, was denn nun eigentlich bewiesen worden ist. Nichts, gar nichts! Die Herren Geschworenen können vielleicht sagen: es ist hier etwas Dunkles geschehen, wer es aber getan, ist uns auch heute noch verborgen. Es ist keine Spur von Beweis dafür erbracht, daß es sich hier um ein anarchistisches Attentat handelt, der versuchte negative Beweis, daß kein Akt persönlicher Rache vorliegt, kann doch nach keiner Richtung hin ausreichen. Koschemann behauptet, daß hier ein Akt polizeilichen Spitzeltums vorliege. Ich halte das für Wahnsinn, denn ich glaube Herrn Kriminalkommissar Bösel aufs Wort, daß die Polizei sich dies Attentat nicht selbst bestellt hat. Ich gehe sogar so weit, daß ich mit dem Staatsanwalt annehme: es ist ein anarchistisches Attentat, aber keineswegs von Koschemann ausgehend, sondern von auswärtigen Anarchisten ausgeheckt. Ich erinnere daran, daß vor längerer Zeit einmal hier ein russischer Nihilist Iwanoff verhaftet worden war, der vielleicht mit der Sache in Zusammenhang stehen könnte, denn er ist in Kopenhagen, in Paris und in Berlin gesehen worden. 1894 sind in Paris Bomben geworfen worden und es ist bezeichnend, daß in der Kiste eine Zeitungsnummer der „Cote libre“ vom 22. August 1894 und der „Frankfurter Oderzeitung“ vom 23. August 1894 gefunden worden ist. Damals ist Koschemann noch nicht hier gewesen. Es läßt sich nicht von der Hand weisen, daß diese Kiste im anarchistischen Lager im Auslande gefertigt, schon 1894 in der Hauptsache hergerichtet und vielleicht erst 1895 noch im letzten Teile vollendet und nach Berlin geschickt

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/199&oldid=- (Version vom 7.1.2019)