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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Tatbestand ist ziemlich einfach, weit schwieriger ist die Frage: Wer ist der Täter. Bände über Bände sind über diese Frage zusammengeschrieben worden. Alle entlassenen Schutzleute sind geprüft worden, ohne Erfolg. Und wenn man bedenkt, daß selbst entlassene Beamte dem Polizeioberst Krause das Zeugnis ausgestellt haben, daß er zwar streng, aber gerecht ist, so ist es unwahrscheinlich, daß ein entlassener Polizeibeamter in Frage kommt, ebensowenig die Familie des Oberst Krause. Gegen das Vorliegen eines persönlichen Racheakts spricht auch die Tatsache, daß die Weckeruhr auf 1/211 Uhr gestellt war, um diese Zeit aber am Sonntag Oberst Krause regelmäßig zur Kirche zu gehen pflegt. Es liegt eine anarchistische Schreckenstat vor! Während die Sozialdemokratie proklamiert hat, daß sie nur gesetzmäßigen Widerstand leistet, kämpft die Anarchie mit allen Mitteln, die ihr in die Hände fallen. Es gibt ja verschiedene Gruppen von Anarchisten, aber zweifellos ist es, daß es auch eine ganz bestimmte Richtung darunter gibt, die Anhänger der Propaganda der Tat sind. So verrückt es ist, so glauben diese Leute, daß es ihren Zwecken dienlich ist, wenn sie die bürgerliche Gesellschaft hin und wieder in Angst und Schrecken setzen und damit von ihrem Dasein Kunde geben. Wenn sie im Auslande einen Ravachol hatten, so hatten wir hier einen Rheinsdorf‚ der die Fürsten am Niederwalddenkmal in die Luft sprengen wollte. Wir haben vom Kriminalkommissar Bösel gehört, daß wir unter den Berliner Anarchisten Leute haben, die vor keiner Tat zurückschrecken. Natürlich muß es Aufgabe der Polizei sein, den friedlichen Bürger zu schützen und Verbrechen zu verhüten. Westphal und Koschemann standen bei der Polizei im Verdacht, daß sie Anarchisten der enragiertesten Art seien und durch das Ergebnis der Haussuchungen, sowie durch andere Umstände ist dieser Verdacht vollauf bestätigt worden. Man fand bei beiden gravierende Schriften, bei Koschemann die „Freiheit“ von Most, direkt aus New-York bezogen, bei Westphal einen ganzen Jahrgang der „Autonomie“.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/193&oldid=- (Version vom 31.7.2018)