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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

beiden Hauptpersonen, die hier in Frage kommen, berücksichtige. Da ist auf der einen Seite derjenige, der das Opfer des Anschlages werden sollte, der Polizeioberst Krause. Sie haben selbst diese sympathische, ehrbare Persönlichkeit gesehen. Dieser Mann hat sich von der Pike auf emporgearbeitet; das kann ihm aber doch nur zum Ruhme und zur höchsten Ehre gereichen, wie dies ja auch bei dem verstorbenen Staatssekretär Stephan der Fall war. In Deutschland ist es eben noch immer möglich, durch eisernen Fleiß zu den höchsten Stellen zu gelangen. Das ist erfreulich, denn es ist immer gut, wenn alle Stände durcheinander gehen und immer neues Blut in die Verwaltungen kommt. Auf der anderen Seite steht Koschemann. Er stammt am guter Familie. Sie haben den alten, ehrwürdigen, mit Kriegsdenkmünzen geschmückten Vater Koschemann gesehen und werden fragen, wie ist es möglich, daß der Sohn eines solchen Mannes unter der Anklage des Mordversuches stehen kann – des Mordversuchs gegen einen Mann, der ihm niemals etwas zuleide getan hat? Die Erklärung liegt nicht zu fern. Der große Franzose Taine, der uns die französische Revolution erst so recht hat verstehen gelehrt, hat einmal von dem „Jakobinertum der Zwanzigjährigen“ gesprochen. So ein junger Mensch, der gar keine eigene Lebenserfahrung und gar keinen historischen Sinn hat, der kommt hinaus in die Welt und gerät in Kreise, in denen jede Autorität untergraben, in welchen die Erziehung zur Ehrfurcht, die nach Goethe das Wichtigste ist, mit Füßen getreten wird. Koschemann ist schon mit jungen Jahren weit in der Welt herumgekommen, der Giftstoff ist ihm überall in der Welt zugetragen worden, besonders durch die „Mostsche Freiheit“. Das besagt genug! Reif sein ist alles, sagt Shakespeare, und nun denke man, wie es in dem Kopfe eines solchen unreifen, phantastischen Menschen aussehen muß, wie da der Größenwahn und die Verleumdungssucht Platz greift und zum Massen-‚ Klassen- und Rassenhaß führt, wie ein solcher junger Mensch innerlich vergiftet werden muß. Der objektive

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/192&oldid=- (Version vom 1.8.2018)