Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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selbst bestellt. Er versichere auf seinen Eid, daß er von der Kiste erst an jenem Morgen Kenntnis erhalten habe, als er durch die Nachtglocke geweckt und von einem Kriminalbeamten gefragt wurde, ob er eine Kiste aus Fürstenwalde erwarte. – Auf die Frage der Verteidigung, ob er Schutzleute entlassen habe, antwortete der Zeuge, daß die Disziplinarsachen natürlich alle durch seine Hand gehen. – Eine ganze Reihe anderer Fragen der Verteidigung bezogen sich auf die Familienverhältnisse des Polizeioberst Krause, auf seine Kinder erster Ehe und auf die von diesen geschlossenen ehelichen Verbindungen bzw. eingegangenen Verlobungen. Der Zeuge erklärte, daß er keinerlei Verdacht nach dieser Richtung hin habe. – Eine große Anzahl Zeugen bekundete: Koschemann habe wohl mit dem Menschen, der auf dem Postamt in Fürstenwalde das Paket aufgegeben habe, große Ähnlichkeit, mit Bestimmtheit vermochte jedoch kein Zeuge zu behaupten, daß es Koschemann war. Die Zeugen vermochten auch den Angeklagten nicht wiederzuerkennen, obwohl er ein Jackett anziehen mußte, das die Untersuchungsbehörde extra für Koschemann anfertigen ließ, und zwar genau in Farbe und Fasson nach dem, das nach den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen der junge Mann getragen, der am 29. Juni 1895 die Kiste in Fürstenwalde zur Post gegeben hatte. Der Angeklagte mußte auch vielfach aus der Anklagebank treten und mit der im Gerichtssaal stehenden Kiste in der Hand auf und ab gehen. Zwei Fürstenwalder Sextanern‚ dem Obersextaner Karl Hofmann, Sohn des früher in Fürstenwalde, später in Westend bei Berlin wohnenden Restaurateurs Hofmann und dem Obersextaner Willy Karl, Sohn des Schlächtermeisters Karl in Fürstenwalde, die der Auflieferer der Kiste nach dem Postamt gefragt hatte, mußte Koschemann die Frage stellen: Wo ist das Postamt? Die Schüler vermochten aber nicht mit Bestimmtheit zu sagen, daß der Auflieferer der Kiste mit Koschemann identisch war. Auch bezüglich des Kaufs einer Weckuhr in Königs-Wusterhausen
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/181&oldid=- (Version vom 31.7.2018)