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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Polizei beschäftigte sich aber auch mit der Sache und man ließ bei mehreren bekannten Anarchisten, unter anderem bei Koschemann und Westphal, Haussuchung vornehmen. Das Ergebnis bewies zwar, daß die Genannten Anarchisten waren, aber dafür, daß sie mit dem Attentat in Verbindung standen, gaben sich nicht genügende Anhaltepunkte. lm stillen wurden die Beobachtungen jedoch fortgesetzt, zumal da die Annahme, daß doch ein politisches Attentat vorliege, wieder an Boden gewonnen hatte. Es wurde bemerkt, daß Koschemann und Westphal ein verändertes, scheues Benehmen zur Schau trugen. Bald darauf wurde Koschemann wegen Verbreitung anarchistischer Schriften zur Haft gebracht. Aus dem Gefängnis kam die Nachricht, daß auch dort Koschemann ein angsterfülltes Wesen zeige, als sei sein Gewissen von einer schweren Tat bedrückt. Der Verdacht gegen ihn habe neue Nahrung gewonnen. Daß die Polizei mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben würde, darauf war man vorbereitet. War es doch anzunehmen, daß der Täter, als er mit der Kiste das Hain verließ, um sich nach dem Bahnhofe zu begeben, auch die geringste Spur hinter sich verwischt hatte. Es wurde allen Personen, die die verdächtige Person gesehen haben wollten, die Photographie Koschemanns gezeigt. Einige waren in betreff der Wiedererkennung bestimmter. Am 19. Juli 1896 wurde noch einmal eine Haussuchung in der Koschemannschen Wohnung vorgenommen. Es galt diesmal, den hellgrauen Anzug zu finden, den der junge Mann mit der Kiste getragen haben sollte. Frau Koschemann leugnete anfangs beharrlich, daß ihr Neffe einen hellgrauen Anzug getragen habe, später gestand sie aber dem Untersuchungsrichter, daß sie die Unwahrheit gesagt habe. Der graue Anzug sei auch gefunden worden, es sei derselbe, den Koschemann jetzt trage. Auffallend sei der Umstand, daß mehrere Abendblätter bereits die Nachricht von der Beschlagnahme des grauen Anzuges brachten, bevor sie erfolgt war. Dies spreche doch gewiß am deutlichsten gegen die, ebenfalls in

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/177&oldid=- (Version vom 1.8.2018)