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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

beschäftigt. Als er nach Berlin gekommen, sei er bei der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft tätig gewesen. lm April 1895 habe er seine Arbeit eines Augenleidens wegen aufgegeben; als er wiederhergestellt worden, sei er bei Ludwig Löwe in Martinikenfelde in Arbeit getreten und habe dort gearbeitet, bis er verhaftet wurde. Hier habe er sich mit technisch-wissenschaftlichen Werken beschäftigt, aber auch mit Geschichtswerken, wie Schlosser, Voigt und mit philosophischen Werken wie Kant, Schopenhauer, Büchner. Er sei in Berlin mit Anarchisten in Verbindung getreten, über die Persönlichkeiten verweigere er aber die Aussage. Er habe auch anarchistische Gedanken in Versammlungen ausgetauscht; wo solche stattgefunden, wolle er nicht sagen. Auf Befragen des Vorsitzenden gab er zu, daß eine solche Versammlung einmal bei Späth stattgefunden habe. Mit Westphal sei er als Arbeitsgenosse freundschaftlich in Verbindung gekommen, nicht aber als Parteigenosse. So viel er wisse, stehe Westphal ebenso wie er auf wirtschaftlichem Boden. Auf Befragen des Vorsitzenden gab der Angeklagte in längerer, durch viele Zwischenfragen des Vorsitzenden unterbrochenen Ausführung ein Bild von seiner philanthropischen Weltanschauung und dem Ideal des Zukunftsstaates. Die Anarchisten wollen nicht die Gewalt, das wollen nur die Terroristen. Nach seiner Ansicht gliedern sich die Anarchisten in drei Gruppen: in den Individualismus der Stirner und Nietzsche, den Kollektivismus Mackays und den Kommunismus, den er für den vernünftigsten halte und der nach seiner Ansicht zum Teil schon jetzt durchführbar sei. Auf Befragen des Vorsitzenden bemerkte der Angeklagte: Es sei ihm bekannt, daß der Kommunismus einmal in Paris blutige Szenen verursacht habe. Dies entspreche aber seinen Ansichten ebensowenig wie die Greuelszenen in Barcelona. Er habe den „Sozialist“ und die Mostschen „Freiheit“ gelesen. Auf weiteres Befragen des Vorsitzenden bemerkte Koschemann: Nach meiner Ansicht kann die Absendung der Kiste nur ein persönlicher Racheakt oder ein

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/173&oldid=- (Version vom 31.7.2018)