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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Die Kriminalpolizei und politische Polizei entfalteten sofort eine fieberhafte Tätigkeit, um des Täters habhaft zu werden. Es wurde auch sogleich eine Belohnung von 1000 M. auf die Ergreifung des Täters ausgesetzt. Der Verdacht fiel sehr bald auf den damals 21 jährigen Mechaniker Paul Koschemann, der in der Gewehrfabrik von Ludwig Löwe u. Co. in Martinikenfelde arbeitete. Auf diesen paßte die Beschreibung des Menschen, der in Fürstenwalde und auch im Eisenbahnzuge bei der Rückreise nach Berlin seines mädchenhaften Aussehens wegen aufgefallen war. Es kam hinzu, daß Koschemann der Polizei als Anarchist bekannt war, der in anarchistischen Klubs vielfach Reden gehalten und zur Anwendung von Gewalt aufgefordert haben soll. Ein entfernter Verwandter des Koschemann‚ Bibliotheksdiener Brede, hatte außerdem, als er von dem Attentatsversuch hörte, der Polizei mitgeteilt, daß Koschemann, mit dem er am 4. Juni 1895 bei Verwandten in dem Berliner Vororte Königs-Wusterhausen zusammen war, sich dort eine Weckuhr gekauft und sich offen als Anarchist bekannt habe. Koschemann habe geäußert: „es müsse Gewalt angewendet werden. Der erste, der fallen wird, ist Krause.“ Daraufhin wurde Koschermann verhaftet, nach einiger Zeit aber wieder entlassen, da sich nicht genügende Anhaltspunkte für seine Täterschaft ergaben. Sehr bald darauf wurde Koschemann wegen Aufreizung zu Gewalttätigkeiten, begangen durch Verbreitung anarchistischer Schriften, zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Infolgedessen wurden nochmals eingehende Nachforschungen angestellt, die schließlich dazu führten, daß gegen Koschemann und den Metallarbeiter Max Westphal die Anklage, erhoben wurde: a) gemeinschaftlich die Ausführung des Verbrechens, vorsätzlich durch Anwendung von Sprengstoffen Gefahr für das Eigentum, die Gesundheit und das Leben des Polizeioberst Krause herbeizuführen, verabredet, b) einen Mordversuch gegen den Polizeioberst Krause unternommen zu haben. Außerdem wurden die geschiedene Ehefrau Elise Westphal und der Schuhmacher

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/171&oldid=- (Version vom 17.10.2019)