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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

anzunehmen, daß der Angeklagte vom Anfang Februar bis heute seine Beschuldigung, wenn sie nicht wahr wäre, aufrecht erhalten werde. Er habe mehrfach, wenn er eine Unwahrheit gesagt, dies nach einigen Tagen zugegeben. Es sei aber auch möglich, daß der Angeklagte der Ansicht sei, er müsse diese seine Beschuldigung, wenn auch falsch, aufrecht halten.

Nach Verlesung der Schuldfragen, die auf Mord und versuchte Notzucht lauteten, nahm das Wort Erster Staatsanwalt Dr. Eger: In der Zeit der Tortur und Folter hat man dem Geständnis die größte Bedeutung beigelegt. Man steht heute auf dem Standpunkt, daß das bloße Geständnis zur Überführung eines Angeklagten kein ausreichendes Beweismittel ist. Der Richter hat lediglich die Wahrheit zu prüfen. Sache des Richters ist es, die Wahrheit zu finden. Ich muß bekennen, ich habe durch die Verhandlung nicht die Überzeugung erlangt, daß der Angeklagte schuldig, aber auch nicht daß er unschuldig ist. Ich stelle Ihnen‚ m. H. Geschworenen, anheim, das Geständnis des Angeklagten für wahr zu halten. Der Erste Staatsanwalt beleuchtete alsdann in eingehender Weise den Tatbestand und bemerkte: Unmöglich ist es nicht, daß der Angeklagte der Täter ist. Es muß aber auffallen, daß der Angeklagte von den zahlreichen Personen nicht in der Nähe des Stadtwaldes gesehen worden ist. Es ist auch nicht außer acht zu lassen, daß der Angeklagte nach der Tat keinerlei auffallendes Wesen an den Tag gelegt hat. Es ist ferner nicht anzunehmen, daß der Angeklagte, der mehrfach vorbestraft ist, die kleinen Vergehen in Dortmund und Koblenz leugnen wird, um sich eines so schweren Verbrechens zu bezichtigen. Durch die Aussagen der Familie Kord ist im übrigen das Alibi des Angeklagten nachgewiesen. Wenn, wie festgestellt ist, die Tat nach 7 Uhr begangen ist, so konnte der Angeklagte unmöglich 20 Minuten vor 8 Uhr bei Kord gewesen sein. Ich wiederhole also, meine Herren Geschworenen! Ich verkenne nicht das Geständnis des Angeklagten als

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/152&oldid=- (Version vom 1.8.2018)