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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

war. Einige Zeugen waren einem jungen Manne begegnet, der von der Mordstätte hergekommen und fluchtartig schnell die Chaussee entlang gelaufen sei. Dieser junge Mann habe, wie die Zeugen bekundeten, an Haltung und Figur dem Angeklagten ähnlich gesehen. Noch mehrere andere Leute, denen die Zeugen begegnet waren, wurden als verdächtig bezeichnet. Ein Mann soll, als er bei drei Telegraphen-Assistenten vorüberging, zu seinem Begleiter gesagt haben: „Dreh’ dich nicht um, die kennen mich.“

Die Mordstätte, d. h. der Baum, unter dem die Ermordete gefunden wurde, war durch einen in den Baumstamm eingeschnittenen Totenkopf und ein Kreuz kenntlich gemacht. Der Angeklagte, der zwischen zwei Polizeisergeanten einherschritt, wurde zunächst, vom Heideschlößchen kommend, rechts in den Wald und zwar an die Stelle geführt, an der er das Verbrechen begangen haben wollte. – Vors.: Angeklagter, ich muß ihnen bemerken, daß die Leiche links im Walde, also hier gerade gegenüber gefunden wurde. Irren Sie sich vielleicht? – Angekl.: Ich glaube mich nicht zu irren, ich habe die Miß rechts in den Wald an diese Stelle gezogen. – Vors.: Das ist doch aber nicht möglich, die Leiche ist links gefunden worden. Sie irren sich vielleicht doch? – Angekl.: Mir ist erinnerlich, daß ich die Miß nach rechts an diese Stelle gezogen habe, ein Irrtum ist aber nicht ausgeschlossen.

Darauf begab man sich links in den Stadtwald an die Stelle, an der die Ermordete gefunden wurde. Man war genötigt, einen doppelten Drahtzaun zu überschreiten, ehe man in den Wald kam; der Drahtzaun war nach dem Morde gezogen worden. Die Mordstätte sah vollständig kahl aus, sie war, wie mitgeteilt wurde, im vorigen Jahre mit dichtem Farrenkraut bewachsen, das gewissermaßen ein Gebüsch bildete. Ein reitender Polizeisergeant stieß dreimal einen Schrei aus, um festzustellen, wie weit das Schreien der Ermordeten, einer schmächtigen, zartgebauten Dame, der der Täter den Hals zugedrückt haben will, gehört worden sei. Das Schreien des

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/135&oldid=- (Version vom 1.8.2018)