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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Dr. Klein den jungen Mann nach längerer Beobachtung für vollständig geistig gesund erklärte, wurde er trotzdem noch sechs Wochen zur Beobachtung seines Geisteszustandes der Irrenanstalt Grafenberg überwiesen. Die Anstaltsärzte erklärten den jungen Mann ebenfalls für vollständig geistig gesund. Da der junge Mann nach wie vor seine Selbstbezichtigung in allen Einzelheiten mit größter Entschiedenheit aufrecht hielt und auch seine Angaben mit dem Leichenbefund im allgemeinen übereinstimmten, so wurde die Anklage wegen Mordes gegen ihn erhoben. Er wurde am 23. September 1907 vor das Schwurgericht des Landgerichts Essen gestellt. Er war der Sohn eines nicht unbemittelten Kohlenhändlers aus Breslau, der jedoch schon vor mehreren Jahren verstorben war. Seine Familie hatte den Essener Rechtsanwalt Holtermann mit der Verteidigung betraut. Als ich diesen einige Tage vor der Verhandlung besuchte, sagte er mir: „Mein größter Gegner ist der Angeklagte. Er hat mir aus dem Untersuchungsgefängnis geschrieben: Ich solle doch alles aufbieten, damit die Verhandlung gegen ihn so schnell als möglich stattfindet, und alles unterlassen, was geeignet wäre, seine Schuld in Zweifel zu ziehen. Er sei der Täter und wolle seine Schuld büßen. Er habe den sehnlichsten Wunsch, so schnell als möglich hingerichtet zu werden.“ – Der Angeklagte, ein hübscher, mittelgroßer, kräftig gebauter junger Mann, mit einem Anflug von Schnurrbart, machte keineswegs den Eindruck eines Geistesgestörten. Vorsitzender Landgerichtsdirektor Dr. Fromm: Angeklagter Land! Ich muß Sie ermahnen‚ die volle Wahrheit zu sagen. Wenn Sie den Mord nicht begangen haben und trotzdem sich als Täter bekennen, so begehen Sie auch eine große Sünde, denn Sie führen die Justiz irre und tragen dazu bei, daß der wirkliche Täter der Gerechtigkeit entzogen wird. Wenn Sie aber der Täter waren, so sagen Sie offen die Wahrheit. – Der Angeklagte schwieg. Sodann bemerkte der Angeklagte auf Befragen des Vorsitzenden: Er sei am 27. September 1886 in Breslau geboren

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)