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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Staatsanwalt[WS 1] Reinking: Ich bin der Meinung, daß die Verhandlung öffentlich geführt werden kann. Die Sache hat die weite Öffentlichkeit in einem Maße beschäftigt, daß die Öffentlichkeit auch ein Recht hat, von der Verhandlung volle Kenntnis zu erhalten. Ich halte es auch für erforderlich, daß das Publikum die einzelnen Vorgänge erfährt. Ich halte es für möglich, die Verhandlung so zu führen, daß die öffentliche Sittlichkeit nicht verletzt wird. Allerdings wäre es den im Zuschauerraum befindlichen Damen anzuraten, sich zu entfernen. Ich werde daher einen Antrag auf Ausschluß der Öffentlichkeit nicht stellen, sondern gebe die Entscheidung dem Gerichtshof anheim.

Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Robert: Ich kann mich den Ausführungen des Herrn Staatsanwalts nur anschließen. Die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung ist die höchste Errungenschaft der Neuzeit. Die vorliegende Sache hat weit über die Grenzen Deutschlands das größte Aufsehen gemacht, ich halte es daher für dringend notwendig, die Verhandlung öffentlich zu führen. Aber auch der Angeklagte hat ein Interesse, daß die Verhandlung öffentlich geführt wird. Es sind in der Öffentlichkeit solch unsinnige Gerüchte verbreitet worden, daß es im dringenden Interesse der Sache liegt, die Verhandlung öffentlich zu führen. –

Nach kurzer Beratung des Gerichtshofes verkündete der Vorsitzende: Der Gerichtshof hat beschlossen, den Eröffnungsbeschluß in öffentlicher Sitzung zu verlesen.

Nach dem Eröffnungsbeschluß war der Angeklagte der vorsätzlichen Tötung im Sinne des § 216 des Straf-Gesetzbuches und der Unterschlagung und des Diebstahls beschuldigt.

Der Vorsitzende verkündete alsdann: Der Gerichtshof hat beschlossen, nunmehr die Öffentlichkeit auszuschließen, da durch die Öffentlichkeit der Verhandlung der öffentlichen Sittlichkeit Gefahr droht. Die Vertreter der Presse sind zugelassen, der Zuhörerraum ist zu räumen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Saatsanwalt
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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/116&oldid=- (Version vom 31.7.2018)