Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/79

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

und fuhr darauf fort: Die Verteidigung hat es für nötig gehalten, durch Ladung eines Sachverständigen zu beweisen, daß es einen Ritualmord nicht gäbe. Ich hielt dies Sachverständigengutachten für überflüssig. Es ist ja möglich, daß es Juden gibt, die Christenblut zu Heilzwecken oder rituellen Zwecken für notwendig halten. Das könnte ja möglich sein, ohne daß es im Talmud steht. Aber das kümmert uns nichts, hier liegt jedenfalls kein Ritualmord vor. Das ist festgestellt durch die medizinischen Sachverständigen, die bekundet haben, daß der Mord am Fundort geschehen ist, daß soviel Blut bei der Leiche gefunden wurde, wie diese nur verlieren konnte, daß der Halsschnitt kein Schächtschnitt gewesen und auch der Mord nicht mit einem Schächtmesser ausgeführt ist. Wie die medizinischen Sachverständigen bekundet haben, ist sofort aufs eingehendste untersucht worden, ob ein Lustmord vorliegt, hierfür haben sich aber auch keine Anhaltspunkte ergeben.

Ich komme nun zu dem Hauptpunkt, der wesentlich zur Erhebung der Anklage Veranlassung gegeben hat, es ist das die Aussage des Zeugen Mölders. Ich bemerke, daß die Staatsanwaltschaft auf dem Standpunkte steht, daß die Anklage auch dann aufrecht zu erhalten ist, wenn das Motiv des Mordes nicht nachgewiesen ist und ich muß bekennen, die Aussage des Zeugen Mölders ist auch heute bei der Ortsbesichtigung nicht erschüttert worden. Die Aussage des Zeugen Mölders steht aber auch nicht allein, zwei Knaben unterstützen sie. Da ist zunächst der Knabe Stephan Kernder. Dieser soll zu seinen Eltern gesagt haben: er habe gesehen, wie Frau Buschhoff den kleinen Hegmann in das Haus gezogen hat. Allein der Knabe Kernder hat einmal dies seinen Eltern erzählt eine volle Woche nach dem Morde, und andererseits hat sich der Knabe trotz aller Bemühungen nicht vernehmen lassen. Endlich ist zu erwägen, daß der Knabe, als ihn die Schwester des kleinen Hegmann fragte, ob er nicht wisse, wo ihr Brüderchen sei, gesagt hat: „Der ist

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/79&oldid=- (Version vom 1.8.2018)