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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

auch als Herr v. Hohenheim, v. Nordheim usw. auf. Der Pseudo-Aristokrat setzte seine Heiratsschwindeleien auch nach seiner am 6. Februar erfolgten Flucht über die Dächer fort. Da im Potsdamer Gerichtsgefängnis keine Mörderzelle vorhanden war, wurde Hennig in die Mörderzelle des Moabiter Untersuchungsgefängnisses gesperrt, aus der ein Entweichen ausgeschlossen ist. Am Morgen des 30. April 1906 wurde Hennig, stark gefesselt, von sechs handfesten Transporteuren von Berlin nach Potsdam gebracht. Sechs Schutzleute und zwei Gerichtsdiener wurden im Potsdamer Schwurgerichtssaal vor die Anklagebank postiert. Der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Barchewitz, forderte die Schutzleute auf, den Angeklagten scharf zu beobachten. Sobald er nur den leisesten Versuch unternähme, zu entfliehen, sollen sie ihm sofort Fesseln anlegen. Hennig machte keinen Fluchtversuch. Er bemerkte: er habe sich nach seiner Flucht über die Dächer noch einige Tage in Berlin aufgehalten und sei alsdann mit einem Freund nach Stettin übergesiedelt. Dort habe er bis zu seiner Ergreifung teils vom Heiratsschwindel, teils von Diebstählen gelebt. Er bestritt, den Kellner Giernoth erschossen zu haben; dies habe sein „Freund Franz“ und ein anderer Unbekannter getan, den er in einer Verbrecherkneipe in der Linienstraße in Berlin kennen gelernt habe. Er habe dem Giernoth nur das Sparkassenbuch und die Ausweispapiere geraubt.

Im Laufe der Verhandlung erschien der alte Vater Hennigs, vor Gram gebeugt, als Zeuge. Der alte Mann konnte vor Weinen kaum sprechen. Er bemerkte mit tränenerstickter Stimme: er habe für seinen Sohn, der nicht unbegabt war, alles aufgewendet, um ihn zu einem ordentlichen, tüchtigen Menschen zu erziehen. Alle seine anderen Kinder seien brav und ordentlich. Es breche ihm das Herz, seinen Sohn als Raubmörder auf der Anklagebank sehen zu müssen. – Vors., Landgerichtsdirektor Barchewitz: Herr Hennig, ich kann Ihren großen Schmerz begreifen. Sie müssen sich aber in dem

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/69&oldid=- (Version vom 31.7.2018)