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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

Hennigs Ergreifung in Stettin. Am 14. März 1906 wurde einem Beamten der Stettiner Wach- und Schließgesellschaft auf offener Straße in Stettin ein Fahrrad gestohlen. Der Beamte setzte dem Dieb nach. Es gelang dem Beamten, nicht bloß das Fahrrad wieder zu bekommen, sondern auch den fliehenden Dieb einzuholen und ihn der Polizei zu übergeben. Auf dem Polizeibureau wurde sofort festgestellt, daß der Fahrraddieb der Raubmörder Hennig sei.

Die Erhebung der Anklage. Unter sicherer Bedeckung wurde Hennig nach Berlin und von dort nach Potsdam gebracht. Da die Ermordung des Giernoth in dem zwischen Wannsee und Glienicke belegenen Forst, also auf Potsdamer Gebiet verübt worden ist, so hatte sich Hennig am 30. April 1906 vor dem Schwurgericht des Potsdamer Landgerichts wegen Mordes, mehrfachen Mordversuchs, Diebstahls und Urkundenfälschung zu verantworten. Hennig war am 30. Oktober 1874 in Berlin als Sohn eines ehrsamen Handwerksmeisters geboren. Nachdem er die Volksschule verlassen, ist er zu einem Lederarbeiter in die Lehre gekommen. Schon im Jahre 1890, also kaum 16 Jahre alt, wurde er wegen Körperverletzung mittelst gefährlichen Werkzeugs zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Drei Jahre später stand er wegen schwerer Ladendiebstähle vor Gericht. Er war eine Zeitlang einer der gefährlichsten Einbrecher Berlins. Als solcher verbüßte er eine mehrjährige Zuchthausstrafe. Nachdem er das Zuchthaus verlassen, beging er die unglaublichsten Betrügereien, fälschte Pfandscheine und wurde schließlich Heiratsschwindler. Er hatte ein sehr ansprechendes Äußere. In der Maske eines Agenten, Kaufmanns oder Fabrikanten näherte er sich jungen Mädchen und verwitweten Frauen und, wenn er sie im Besitz einiger Geldmittel oder entsprechender Sparkassenbücher wußte, versprach er ihnen die Ehe. Durch schnellen Wechsel seiner Namen glückte es ihm stets, sich der Festnahme zu entziehen, sobald eine der Betrogenen ihn der Behörde überliefern wollte. Er trat

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/68&oldid=- (Version vom 31.7.2018)