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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

Sprechen Sie die Angeklagten frei, und geben Sie denen endlich die Ruhe wieder, die seit sechs Jahren verleumdet und verfolgt werden wie ein gehetztes Wild.

Verteidiger Rechtsanwalt Dr. v. Rychlowski (Posen): Der Kampf um das Majorat reiche weit zurück. Schon von vornherein hätten die Agnaten das Kind im Mutterleibe bekämpft, weil man befürchten mußte, daß das Kind ein Knabe, also ein unerwünschter Konkurrent in der Nachfolgeschaft, sein könnte. Das Vorgehen der Agnaten mußte die Gräfin erbittern, und daß der Trotz über die Klugheit siegte, hat die arme Frau ja schwer genug büßen müssen. Graf Hektor Kwilecki hat hier betont, daß er nicht um das Majorat, sondern um die Ehre kämpfe. Das mag glauben, wer will, vielleicht liegt hier auch eine Selbsttäuschung vor. Wie erklärt man es sich denn dann, daß die Agnaten, wie auch dieser Prozeß ausfallen möge, einen zweiten Zivilprozeß um das Majorat führen wollen. Nun hat hier Graf Hektor erklärt, daß er persönlich auf das Majorat verzichte. Diese nichtssagende, unverbindliche und verspätete Erklärung hat mich an die Fabel von dem Fuchs und den Trauben erinnert. Für die Mitstreiter des Herrn Grafen Hektor handelte es sich jedenfalls nicht um eine Ehrensache, sondern um eine Geschäftsfrage. Das Laienauge und das Künstlerauge sind sich darin einig, daß der schöne Knabe der Gräfin überaus ähnlich sieht. Wenn alles schwinden sollte, so ist, meine Herren Geschworenen, dies der feste Punkt: Sie werden nimmermehr einer Mutter ihr Ebenbild vom Busen reißen und es einer anderen Frau zusprechen. Der Staatsanwalt hat von „großer Phantasie“ gesprochen, die größte Phantasie hat er aber selbst entwickelt, indem er ausführte, daß der Knabe sich den schönen Schwestern angepaßt haben kann. (Heiterkeit.) Der Staatsanwalt ist auch auf das alte polnische ancien régime zu sprechen gekommen. Ich könnte darauf erwidern, dränge aber meine Worte von den Lippen zurück, denn ich verschmähe es, in diesen Saal Sachen hineinzutragen,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)