Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/39

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

nach dem Gesetz mehr Recht als die Verteidigung, er steht im Kontakt mit dem Untersuchungsrichter und hat jederzeit das Recht der Akteneinsicht. Das gibt ihm auch ein Übergewicht über die Verteidigung. Zwar ist hier in diesem Saale das Wort gefallen: „Die Staatsanwaltschaft ist die objektivste Behörde der Welt.“

Daß das Wort ehrlich gemeint ist, daran zweifle ich keinen Augenblick. Das Wort gilt aber nur bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens. Das wird niemand mehr bestreiten, nachdem er gestern die Rede des Herrn Staatsanwalts Dr. Müller gehört hat in ihrer ganzen Leidenschaftlichkeit.

Mich hat es auf das tiefste geschmerzt, daß ein Staatsanwalt, der die Ehre hat, gegen uns zu plädieren, es gewagt hat, die Verteidigung vor der Öffentlichkeit zu beleidigen. Das werde ich nachher näher begründen. Da wurde gestern gesagt: „aus Hechelski ist so manches herausgeholt worden,“ „man hat gewisse Kniffe angewendet,“ „schlimmer als die Folter“ usw. Weiter wurde gesagt: „man hat versucht, durch Kinkerlitzchen die Aufmerksamkeit von den Tatsachen abzulenken.“ Ich frage mich: wer ist denn dieses unpersönliche „man“. Hat der Herr Staatsanwalt die Herren Geschworenen gemeint? Das ist nicht anzunehmen. Oder den Gerichtshof und den Herrn Vorsitzenden? Das ist ausgeschlossen. Oder seinen Chef, den Herrn Ersten Staatsanwalt? Das ist ebenso ausgeschlossen. Wer bleibt da noch übrig? Wir! Die Verteidigung. Die Frau Gräfin kann er auch nicht gemeint haben, denn sie hat ja kaum einmal zu einer Frage den Mund aufgetan. Auch die Zeugen können nicht als diejenigen gemeint sein, die „etwas herausgeholt“ haben. Wer also bleibt anders übrig als das Aschenbrödel Verteidigung. Herausgequetscht mit gewissen Kniffen wurde gesagt. Das ist ja der negative Knigge!

Die Verteidigung hat erfahren, daß mit dem Zeugen Hechelski nicht alles in Ordnung sein soll, und da sollen

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/39&oldid=- (Version vom 31.7.2018)