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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

Vergangenheit anzugehören scheinen. Kein Roman, kein Theaterstück kann, wie sich hier wieder zeigt, an das wirkliche Leben mit seinen kaleidoskopartigen Mannigfaltigkeiten heranreichen. Das wirkliche Leben schlägt in dieser Beziehung jede Konkurrenz. Der Staatsanwalt beleuchtete alsdann in eingeheder Weise die Zeugenaussagen und schloß mit etwa folgenden Worten:

Gegenüber diesen unwiderleglich feststehenden Tatsachen lassen Sie sich, meine Herren Geschworenen, nicht durch allerlei Nebendinge von der Hauptsache ablenken. Wenn Sie dieser meiner Ansicht folgen und das verdächtige Verhalten der Gräfin vor und nach der angeblichen Entbindung, das durch nichts zu beschönigen ist, wenn Sie ferner die ehelichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und den mysteriösen Aufenthalt der Gräfin in Paris berücksichtigen, so können Sie sich der zwingenden Beweiskraft solcher Tatsachen unmöglich entziehen. Die Beweise sind so zwingend und überzeugend, daß man sich eigentlich an den Kopf fassen und sich fragen muß, warum es erst noch der Entrollung eines so kolossalen Beweismaterials bedurfte. Wer logisch denken kann, der muß sich zu der Überzeugung bekennen, daß die Gräfin das Verbrechen begangen hat. Wenn Sie noch mehr Beweise verlangen sollten, dann würden Sie dem viel angefeindeten Schwurgerichtsverfahren direkt das Todesurteil sprechen. (Unruhe auf der Geschworenenbank.)

Die Gräfin ist schuldig, und zwar schuldig der Kindesunterschiebung, um dadurch Vermögensvorteile zu erlangen. Um nichts und wieder nichts wird diese Gräfin sicher nicht ein fremdes Bankert annehmen und ihr eigenes Nest beschmutzen. Es handelt sich keineswegs in erster Linie um einen „Kampf ums Majorat“. Diese Zivilstreitigkeiten müssen hier völlig im Hintergrunde bleiben; sie gehören vor das Zivilgericht, hier aber handelt es sich um ein Delikt gegen die allgemeine Rechts- und Staatsordnung, das geeignet ist, den öffentlichen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/35&oldid=- (Version vom 31.7.2018)