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Dr. Puppe: Die Probleme der Apporte seien die durchsichtigsten, diesen stehe er skeptisch gegenüber. Im übrigen müsse er sagen, daß solche komplizierte Manipulationen, wie sie bei den Apporten gemacht werden mußten, nicht im Trance gemacht seien. Man müsse bei den Zeugen drei Gruppen unterscheiden: 1. die Indifferenten, 2. die Betrogenen, 3. diejenigen, die auf Frau Rothe schwören. Letztere sind von den übersinnlichen Mächten fest überzeugt. Dabei muß man aber sich vergegenwärtigen, daß sie zu den Teilnehmern etwa in dem Verhältnis stand wie der Hypnotiseur zu den Hypnotisierten. Es ist wohl die Frage aufgeworfen worden: Weshalb ist Frau Rothe nicht Taschenspielerin geworden? Nun, als Taschenspielerin würde sie nach dem Zeugnis des Prof. Dr. Dessoir nicht recht reüssiert haben, denn ihre Triks sind plump und ihre Fähigkeit, das Publikum zu täuschen, zeigt sich nur in jenem eigentümlichen spiritistischen Milieu, wo die Sitzungen mit Gebet eröffnet werden, wo man sich „Bruder“ und „Schwester“ nannte und andere derartige Dinge vorkamen, die auf empfängliche Gemüter wirken. Der Trancezustand der Frau Rothe war nicht echt, da er schnell kam und sehr schnell wieder vorüberging. Was die medizinische Seite betrifft, so muß hervorgehoben werden, daß Frau Rothe, die sich seit März v. J. in Haft befindet, in dieser ganzen Zeit keinen abnormen Geisteszustand gezeigt hat. Ich komme zu dem Schluß: Es liegt bei der An- geklagten ein gewisses vermindertes Bewußtsein vor, aber nicht eine Aufhebung der freien Willensbestimmung. – Die Beweisaufnahme wurde alsdann geschlossen. –

Staatsanwalt Friedhelm: Es ist Sache der Theologen, zu prüfen, was und wieviel von dem Spiritismus zu halten ist. Hier handelt es sich nur um die Frage, ob die Angeklagte strafbare Handlungen begangen hat und dafür verantwortlich zu machen ist. Die Angeklagte besitzt zweifellos ein großes Maß von Selbstbeherrschung. Dieser bedurfte sie, um ihre Rolle mit Erfolg durchzuführen. Sie hat nebenbei