Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/239

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

auf ihre rechte Hand gelenkt und mit der linken gearbeitet. Jede Pause benutzte sie, um in geschickter Weise das Kommende vorzubereiten. Ihre technischen Fertigkeiten seien gar nicht groß, aber sie habe die große Fertigkeit, die Aufmerksamkeit abzulenken und die Schwäche der Anwesenden auszunutzen. Es sei immerhin möglich, daß sie mit veränderten Bewußtseinszuständen nicht mit reinem und ungetrübtem Bewußtsein ihrer betrügerischen Maßnahmen gehandelt, gewissermaßen einen „heiligen Betrug“ verübt habe in dem Glauben, eine höhere Mission zu erfüllen. Sie sei nicht durchaus und schlechtweg eine einfache Betrügerin; sie sei gewiß von ihren Fähigkeiten überzeugt. Außerdem habe sie die Gabe, großes Vertrauen zu erwecken. – Vors.: Würden Sie über einzelnes, was hier bekundet worden ist, Aufklärung geben können? Sachv.: Nein. Berichte einzelner Personen können nicht erklärt werden, denn ein einzelner Mensch kann vielerlei auf Täuschung beruhende Dinge als Tatsachen hinstellen. Ich erinnere an das bekannte Taschenspielerstückchen, in dem der Taschenspieler eine Apfelsine sechs- bis achtmal in immer höheren Abständen in die Luft wirft und jedesmal mit der Hand tiefer hinabgeht. Der letzte angebliche Wurf geht mit der ganz tief herabhängenden Hand von statten. Der Taschenspieler legt aber die Apfelsine auf seinen Schoß und tut nur so, als ob er sie in die Luft werfe. Alle Zuschauer sind aber überzeugt, daß sie in der Luft verschwunden ist. Das ist ein Beispiel, wie durch die Vorbereitung, durch Erregung der Erwartung Täuschungen hervorgerufen werden können. Staatsanwalt: Haben Sie eine Erklärung dafür, daß die Blumen unversehrt und „taufrisch“ zum Vorschein kommen? Sachv.: Es ist möglich, daß dies mit Hilfe eines nassen Wachsleinwandbeutels geschehen ist. – Oberarzt Dr. Henneberg: Die Blumen können auch durch Eis konserviert worden sein. – Vert. R.-A. Dr. Schwindt: Herr Professor Dr. Dessoir! Können Sie das Hellsehen vom philosophischen Standpunkte aus erklären?