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Vert. R.-A. Dr. Schwindt: Sie machen doch aus dem Hellsehen kein Gewerbe? Zeuge: Keineswegs. – Verl.: Sie sind auch durch das Hellsehen nicht von der Religion abgewendet worden? Nein, im Gegenteil. Ich war früher freireligiös, durch den Spiritismus bin ich aber zum Glauben zurückgeführt worden. Der Glaube ist bei mir so felsenfest geworden, daß er mir über alle Schicksalsschläge hinweghilft. Sachv. Professor Dr. Dessoir: Aus vielfachen Erfahrungen wisse er, daß oft in der unbegreiflichsten Weise Tatsachen von Zuschauern entstellt werden, nicht aus bösem Willen, sondern infolge von Anregungen und Einwirkungen, die in der Umgehung der betreffenden Personen liegen. Ein Taschenspieler, der Liebhaber der Taschenspielerei war, habe einmal mediumistische Experimente nachgeahmt, ohne den Zuschauern etwas davon zu sagen, daß es sich nur um Nachahmungen handelte. Die Teilnehmer haben alsdann Berichte abgestattet über das was sie gesehen haben. Die Berichte seien auch in spiritistischen Zeitschriften abgedruckt worden. Man konnte daraus ersehen, wie die einfachsten Taschenspielerkunststücke zu Phänomenen geworden waren. Zu einer genauen Beobachtung der Dinge seien auch gewisse technische Kenntnisse erforderlich. Er (Sachv.) habe mehreren Sitzungen bei Frau Rothe beigewohnt. Er könne nur sagen, daß das, was er gesehen, ein Schwindel war, und zwar ein in ganz kläglicher Weise ausgeführter Schwindel. Jeder Taschenspieler würde sich schämen, in so wenig ausreichender Weise zu arbeiten. Der Tisch war verhängt, der Stuhl, auf welchem Frau Rothe saß, war so gestellt, daß im Zimmer eine Art dunkles Dreieck entstand. Diese Dunkelkammer benutzte Frau Rothe, um von dort aus ihre Apporte zu bringen. Die Kleideruntersuchung war eine Farce, sie dauerte eine Minute. Zu einer vollkommenen Untersuchung gehörte, daß sich Frau Rothe splitternackt auszog; auch eine gynäkologische Untersuchung hätte vorgenommen werden müssen. Frau Rothe habe in recht plumper Weise die Aufmerksamkeit der Teilnehmer