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Obertelegraphenassistent Kuhhaupt: Als die Angeklagte einmal in Trancezustand verfallen sei, habe sie zu einem ihr gegenübersitzenden Herrn gesagt: Ich sehe hinter Ihnen eine Frau, die einen eigentümlichen Kopfschmuck trägt, ähnlich wie eine Krankenschwester. Der Herr habe voller Staunen erwidert: Das ist meine verstorbene Mutter, diese trug einen derartigen Kopfschmuck. Der Zeuge erzählte alsdann: Frau Rothe hat einmal in meiner Wohnung eine Sitzung gegeben. Nachdem sie von meiner Frau und meiner Schwägerin untersucht worden, wurde sie in ein nur notdürftig erleuchtetes Zimmer geführt und in einen Sack gesteckt, der ihr bis an den Hals reichte. Der Sack, der aus neuer Leinwand hergestellt und mit doppelten Nähten versehen war, wurde am Halse zugeschnürt. Alsdann wurde der Sack mit einer starken Schnur viele Male umwickelt und die Nähte hinten und an den Seiten versiegelt. Dann ließ man Frau Rothe hinter dem Vorhang allein. Nach kurzer Zeit hörte man hinter dem Vorhang etwas zu Boden fallen. Genau nach sieben Minuten trat Frau Rothe, von jedem Anhängsel völlig befreit, hervor, der Sack wurde untersucht, er lag am Boden. Siegel, Nähte und Schnur waren unverletzt. Später apportierte Frau Rothe Blumen und Apfelsinen, die unmöglich zur Stelle geschafft sein konnten. In einer von Frau Rothe in ihrer Wohnung abgehaltenen Sitzung saß die ganze Gesellschaft um einen schweren Tisch. Als Frau Rothe in Trancezustand verfallen war, begann der Tisch sich zu heben; außerdem vernahm man ein eigentümliches Klopfen. Frau Rothe hat nicht unmittelbar am Tisch gesessen, auch ihre Hände waren mit dem Tisch nicht in Berührung gekommen. Frau Rothe sagte, als der Tisch sich hob, zu einer ihr gegenübersitzenden 60jährigen Dame: „Es ist der Geist Ihres Mannes, der sich vernehmen läßt.“ Der Tisch machte darauf wiederholt eine Bewegung nach der alten Dame zu. Letztere sagte nach einer Weile: „Gehe doch auch einmal zu meinem Sohn.“ Sofort änderte der Tisch seine Richtung und wackelte zu dem bezeichneten jungen Herrn. Die ganze