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besucht, es soll dabei ein erheblicher Betrag eingekommen sein? Angekl.: Ich habe mich darum nicht gekümmert.

Als erster Zeuge wurde Kriminalkommissar Leonhardt vernommen. Am 19. November 1901 habe er zum ersten Male im dienstlichen Auftrage den Sitzungen der Angeklagten beigewohnt. Durch Vermittelung eines Bekannten habe er eine Einlaßkarte für drei Mark erhalten. Nach Betreten eines Vorraums, der etwas Auffälliges nicht bot, sei er in ein Nebenzimmer geführt worden, das fast vollständig ausgeräumt war. Nur ein mit einer Decke behangener ziemlich großer Tisch sei in der Stube gewesen. Um den Tisch standen Stühle, die bei seinem Eintritt fast sämtlich besetzt waren. Frau Rothe saß an einem Ende des Tisches in der Nähe des Fensters. Als weitere Gäste nicht erwartet wurden, begann die Sitzung, die von Jentsch mit einer geistlichen Ansprache eröffnet wurde. Alsdann wurde das Zimmer etwas dunkler. Während tiefe Stille herrschte, verfiel Frau Rothe in einen traumartigen Zustand, sie hielt dabei aber die Augen offen. Nach einer Weile kamen, anscheinend von der Decke, Blumen herabgeflogen. Er habe Frau Rothe scharf beobachtet und wahrgenommen, daß sie mit der linken Hand eine verdächtige Bewegung nach ihren Beinen machte. Einmal hatte sie auch eine Zitrone oder Apfelsine in der linken Hand. Er hatte bereits am ersten Abend die Überzeugung erlangt, daß Schwindel im Spiele war. Vors.: Erklärte nicht Jentsch, welche Intelligenzen aus Frau Rothe sprechen? – Zeuge: Jentsch sagte: Der Geist Paul Flemmings, Zwinglis und ganz besonders der Geist des Kindes Friedchen spreche aus Frau Rothe. – Das Friedchen sprach mit einer deutlichen Kinderstimme, aber – ebenso wie die Angeklagte selbst – mit einem ausgeprägten sächsischen Dialekt. – Vors.: Sächselten denn alle Geister, die aus der Angeklagten sprachen? Zeuge: Jawohl. – Auf Befragen der Verteidiger bemerkte der Zeuge: Er hatte die Überzeugung, daß die Angeklagte auch im Trancezustande bei vollem Bewußtsein war. Er beobachtete, daß