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wurden. Jeder wollte etwas wissen, etwas gesehen oder gehört haben. Da trat Skopeck mit seiner Wahrnehmung hervor, die von Baranowski in gewissem Sinne unterstützt wurde. Die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen ist bereits mehrfach Gegenstand der Kritik gewesen. Das Kriegsgericht der 2. Division hat diesen Mann einstimmig für unglaubwürdig erachtet und ihn deshalb nicht vereidigt. Aber auch in der diesmaligen Verhandlung muß es jedem klar geworden sein, daß auf das Zeugnis dieses Menschen nicht ein Urteil über Leben und Tod herbeigeführt werden kann. Die diesmalige Verhandlung hat aber auch ergeben, daß die angeblichen Wahrnehmungen des Baranowski sehr zweifelhafter Natur sind. Wir haben von Herrn Rittmeister Ewers gehört, daß Baranowski ihm etwas anderes gesagt hat, als Herrn Gerichtsrat Lüdicke, so daß Herr Rittmeister Ewers bei der Vernehmung eingreifen mußte. Ich erinnere ferner daran, daß Baranowski, der mit vollster Bestimmtheit behauptete, er habe einen Mann mit schwarzem Schnurrbart gesehen, den dunkelbraunen Schnurrbart, den sich Hickel in der vergangenen Woche bei der Lokalbesichtigung angesteckt hatte, für einen schwarzen gehalten hat. Es ist sehr bedauerlich, daß über die ersten Vernehmungen kein Protokoll geführt wurde. Deshalb ist es nicht festzustellen, was von allen Zeugen damals gesagt worden ist. Ein Mangel in der Gesetzgebung ist es auch, daß der Kriegsgerichtsrat, der die erste Untersuchung vorzunehmen hat, die Anklage erhebt und sie in erster Instanz vertritt. Ich will nicht den leisesten Vorwurf gegen jemand erheben, ich bin aber der Meinung, auch ein Kriegsgerichtsrat ist nur ein Mensch und auch ein solcher ist schwer von seiner einmal gefaßten Meinung abzubringen. Vom Richter, der den Angeklagten zu vernehmen hat, verlangt das Gesetz alle möglichen Kautelen. Er muß zwei Examina gemacht haben und auch in praktischer Hinsicht Befähigung zum Richteramt haben.

Er darf niemanden ohne Beisein des Protokollführers