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die Tat begangen, dann sind Sie verpflichtet, die Angeklagten zu verurteilen. Ich komme nun auf die rechtliche Seite der Frage und muß wiederholen, was ich in der vorigen Verhandlung vor dem Oberkriegsgericht gesagt habe. Angesichts des Grundsatzes in dubio pro reo muß man die niedere Strafart wählen. Ich bin das vorige Mal von der Presse vollständig mißverstanden worden. Es ist mir vorgeworfen worden, daß ich über die Schuld der Angeklagten meine Zweifel hatte. Da ich aber eine Sühne des Verbrechens auf alle Fälle herbeiführen wollte, hätte ich den Antrag wegen Totschlages gestellt.

Ich erkläre, daß ich weder damals noch jetzt den geringsten Zweifel an der Schuld der Angeklagten habe. Ich habe trotz eifrigsten Nachdenkens meine Ansicht nicht um ein Atom geändert und bin auch heute noch der Überzeugung, daß hier nicht Mord, sondern Totschlag vorliegt. Ich bin der Überzeugung, Marten hat den Entschluß gefaßt, den Rittmeister zu töten, als er den Stumbries traf. In diesem Augenblicke geriet er wieder in Wut, da ihn der Rittmeister am Sonnabend in der Reitbahn arg beleidigt hatte. Der Vertreter der Anklage berief sich auf Liszt, Berner und andere Rechtslehrer, die auch der Ansicht seien, daß, wenn jemand plötzlich in der Wut den Entschluß faßt, einen Menschen zu töten, sich eine Waffe holt und die Tötung begeht, nur Totschlag vorliegt. Dieselbe Ansicht ist auch in einem Artikel der Ärztlichen Rundschau zum Ausdruck gebracht worden. Auch der Totschläger kann sich seine Tat kurze Zeit überlegen, und, meine Herren, solange Sie nur den geringsten Zweifel haben, daß Marten nicht mit voller Überlegung gehandelt hat, dann ist es Ihre Pflicht, nicht auf Mord, sondern auf Totschlag zu erkennen. Ich bin nicht der Meinung, daß Hickel und Marten den Mord vor langer Zeit verabredet haben. Hickel hat sich meiner Meinung nach dadurch, daß er Wache stand, bzw. Marten deckte, der Beihilfe schuldig gemacht. Das Gesetz gestattet bei Totschlag mildernde Umstände.