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idyllische Ruhe lagert im allgemeinen über dem Städtchen, das mit der Garnison etwa 15000 Einwohner zählt. Ruhig und friedlich leben hier die Bewohner. Eine geradezu ländliche Einsamkeit würde herrschen, wenn nicht die starke Garnison in das beschauliche Dasein der Gumbinner Bürgerschaft bisweilen etwas Leben brächte. Seit Menschengedenken war in dem Städtchen kein Kapitalverbrechen vorgekommen. Da, am 21. Januar 1901 ereignete sich ein Verbrechen, das in der ganzen Kulturwelt das größte Aufsehen erregte und wohl kaum jemals aufgeklärt werden wird. Trübe und regnerisch war es am 21. Januar 1901. Naßkaltes Wetter herrschte im Städtchen. Ein rauher Nordwind jagte durch die Straßen. Weit draußen in der Vorstadt, am Ende der Tilsiterstraße liegt die Kavalleriekaserne, ein stattlicher, massiver Bau, in dem das 11. Pommersche Dragonerregiment v. Wedel untergebracht war. Hinter dem großen Exerzier- und Reitplatz erhebt sich eine sehr geräumige, massiv gebaute, vollständig gedeckte Reitbahn, in der die Reiter gegen die Unbilden des Wetters geschützt sind. Gegen vier Uhr nachmittags ertönten aus der Reitbahn Kommandorufe. Rittmeister Freiherr v. Krosigk nahm mit der von ihm befehligten vierten Schwadron abteilungsweise Reitübungen vor. Plötzlich, kurz nach 4½ Uhr, der Rittmeister hatte soeben kommandiert: „Eskadron halt, Front,“ da ertönte ein Schuß. Der Rittmeister, der mit gezogenem Säbel, zu Fuß vor der Front der reitenden Abteilung stand, fiel mit dem Aufschrei: Ich bin geschossen, zu Boden. Oberleutnant v. Hoffmann, sowie alle in der Reitbahn anwesenden Offiziere und Unteroffiziere eilten schleunigst zu Hilfe. Sie trugen den anscheinend tödlich getroffenen Rittmeister auf ein frisch geschüttetes Strohlager, eine sogenannte Strohpuppe und knöpften ihm den Uniformrock und den Hemdkragen auf. Oberleutnant v. Hoffmann erteilte sofort den Befehl, schleunigst einen Arzt herbeizurufen. Nach wenigen Minuten war auch ein Arzt in der Reitbahn eingetroffen, er vermochte aber keine Hilfe mehr zu bringen. Rittmeister