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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

erlassen wurden, um ihre unehelich geborenen Kinder in Pflege zu geben. Die Angeklagte machte den Mädchen sofort den Vorschlag, die Kinder für eine größere Abfindungssumme als eigen anzunehmen, bzw. zu einer feinen Herrschaft ins Ausland bringen zu wollen. Die Angeklagte war bemüht, noch mehrere Kinder gegen hohe Abfindungssummen als eigen anzunehmen, es ist ihr dies nur nicht gelungen. Die Beweisaufnahme hat aber keinen Zweifel gelassen, daß die Angeklagte die ihr übergebenen Kinder sämtlich getötet hat. Es entsteht nun die Frage: Sind die verschwundenen Kinder getötet oder hat die Angeklagte nur einen falschen Weg der Verteidigung eingeschlagen. Ich habe bereits bemerkt, daß man anfänglich glaubte, es handle sich um zwei betrügerische Kindesunterschiebungen. Einzig und allein deshalb wurde die Angeklagte aufs Stadthaus geladen. Zu der Jürgens sagte sie aber dann: Ich bin aufs Stadthaus geladen, weil ich ein Kind um die Ecke gebracht haben soll. Wie kam die Angeklagte dazu, eine solche Äußerung zu tun. Die Angeklagte gibt selbst zu: das Kind Klotsche ist tot, aber nicht ich, sondern mein Mann hat das Kind tot gemacht. Sie gibt auch schließlich zu, die Kinder Sommer und Schultheiß sind tot, diese habe die Miosga getötet. Wahr ist, daß die Miosga 24 Stunden lang den Knaben Schweppke in Pflege gehabt hat. Belastend für die Angeklagte spricht auch der Umstand, daß sie bemüht war, das Kind Schulz zurückzubekommen, da es doch sehr bald „krepieren“ werde. Sie wissen, m. H., daß ihr dies nicht gelungen ist und daß der Knabe Schulz heute noch lebt. Den Knaben Schweppke hat die Angeklagte augenscheinlich auch zu töten versucht, indem sie dem armen Wesen Schnupftabak in die Nase steckte. Einem Manne, der das Kind alsdann in Pflege nahm, hat die Angeklagte Schnupftabak mitgegeben, mit der Weisung, diesen dem Kind in die Nase zu stecken. Einen stummen Zeugen gegen die Angeklagte bildet das Zeug der kleinen Blank,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/172&oldid=- (Version vom 31.7.2018)