Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/156

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

abgelehnt habe, bemerkte der Verteidiger in sehr erregter Weise: Ich erkläre hiermit, daß ich es ablehne, einen Mann noch ferner zu verteidigen, der nach dieser Ablehnungsbegründung schon verurteilt ist, noch ehe er ein Wort gesprochen hat. (Große allgemeine Bewegung.) Die Richter und der Oberstaatsanwalt erhoben sich entrüstet von ihren Sitzen. Der Vorsitzende erklärte, daß er dem Verteidiger das Wort entziehe‚ dieser rief jedoch dem Gerichtshofe zu: „Möge Ihr Urteil ausfallen wie es wolle, wir fürchten es nicht.“ Der Verteidiger versuchte noch weiter zu sprechen, er wurde jedoch durch den Oberstaatsanwalt und dem Vorsitzenden übertönt, so daß seine letzten Worte nicht zu verstehen waren. – Oberstaatsanwalt Drescher: Ich beantrage wegen dieser unerhörten Beleidigung‚ die dem Gerichtshofe gesagt worden ist, Herrn Rechtsanwalt Hertwig zu der höchsten zulässigen Ungebührstrafe zu verurteilen. – Rechtsanwalt Hertwig hatte bereits seine Akten zusammengerollt und verließ in größter Erregung den Saal. – Der Vorsitzende ließ die Äußerung des Verteidigers protokollieren. – Nach kurzer Beratung des Gerichtshofes wurde Rechtsanwalt Hertwig wegen Ungebühr zu 100 Mark Geldstrafe verurteilt. – Der Erste Staatsanwalt bemerkte in der Schlußrede: Der Angeklagte hat durch seine Behauptungen das Vertrauen zu unserer Heeresverwaltung stark erschüttert, die Disziplin in unserem Heere untergraben, das Vertrauen des deutschen Soldaten zu seiner Waffe stark erschüttert. Ja, die Behauptungen des Angeklagten sind geeignet, das Ansehen der deutschen Armee im Auslande herabzusetzen. Der Angeklagte nimmt für sich den Schutz des § 193 (Handeln im berechtigten Interesse) in Anspruch, ich bin aber nicht in der Lage, ihm diesen Schutz zuzubilligen. Der Angeklagte ist eifriger Agitator einer Partei. Jeder Partei, auch der antisemitischen Partei, muß das Recht zugesprochen werden, öffentliche Mißstände