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im Interesse der Menschheit. War es nicht des Schweißes der Edlen wert, daß Mellage solche grauenhafte Mißstände aufgedeckt hat? Abscheu und Entsetzen hat es in der ganzen zivilisierten Welt erregt, daß in unserem deutschen Vaterlande in einer staatlich konzessionierten Irrenanstalt trotz staatsanwaltschaftlicher und Regierungsaufsicht derartige Schandtaten vorkommen konnten. Aber noch mehr war ich von der Behauptung des Herrn Staatsanwalts überrascht: Mellage habe sich Übertreibungen schuldig gemacht. Ich traute meinen Ohren kaum, als ich diese Bemerkung hörte. Jeder, der dieser achttägigen Verhandlung gefolgt ist, wird zugeben, daß nicht bloß der Inhalt der Broschüre, sondern noch bedeutend mehr erwiesen worden ist. Hätte Mellage gewußt, was in dieser Verhandlung zutage treten wird, dann wäre der Inhalt der Broschüre noch ein bedeutend reichhaltigerer gewesen. Mellage wußte noch nicht, als er die Broschüre schrieb, daß Kranke zwischen ein eisernes Gitter und einen brennenden eisernen Ofen gestellt wurden und in dieser Stellung, unaufhörlich schreiend, um den Ofen umhergelaufen sind. Herr Mellage wußte noch nicht, als er die Broschüre schrieb, daß Kranke an einem Baum festgebunden und den ganzen Tag in dieser Stellung behalten wurden. Herr Mellage wußte zurzeit noch nicht, daß Epileptikern die Schlinge um den Hals geworfen wird und diese dem Ersticken nahe gebracht werden, er wußte noch nicht, daß es verschiedene Duschen in Mariaberg gibt, mit denen hilflose Kranke gezüchtigt werden. Herr Mellage wußte, als er die Broschüre schrieb, noch nicht, daß die Brüder sich nicht scheuten, selbst den Kaplan Medebach in die Dusche zu bringen. Herr Mellage wußte auch nicht, daß man einem Kranken eine eiserne Stange zwischen die Beine gekettet habe. Ich erinnere an die übrigen Foltern und Mißhandlungen, die man in Mariaberg gegen die Kranken angewandt hat. Das Stoßen und Treten mit den Füßen, die Mißhandlung, die dem kleinen, buckligen Stubenkämper zuteil wurde,