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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

Es wurden alsdann die andern Räumlichkeiten in der Rosengartschen Wohnung, die Gehöfte, das Weizenfeld usw. in Augenschein genommen, über das der Mörder nach geschehener Tat geflüchtet sein soll. Hierauf wurde im oberen Zimmer der Kolben eines Gewehrs verbrannt und darauf der kleine Schulwagen angespannt, in dem die Rosengartschen Kinder nach Königsberg in die Schule fuhren. In diesem sollen, laut Bekundung des Adameit, dieser, Baumeister Worgall und die Angeklagte kurze Zeit nach dem Morde nach Königsberg gefahren sein. Die Angeklagte soll dabei den Gewehrlauf unter ihren Mantel geknüpft haben, so daß man ihn nicht bemerken konnte. Der Angeklagten wurde aufgegeben, einen Gewehrlauf unter ihren Mantel zu knöpfen und sich mit Adameit und Worgall in den Schulwagen zu setzen. Alsdann wurde die Angeklagte aufgefordert, mit dem Gewehrlauf unter den Mantel geknöpft, die Treppen ihres Wohnhauses hinaufzugehen. Über das Ergebnis dieser Versuche ließ sich nicht berichten, da die Berichterstatter in solcher Entfernung gehalten wurden, daß sie davon nichts sehen konnten. Alsdann begab sich der Gerichtshof nach Ernsthof in die Wohnung des Rieß. Dort wurde das Schlafzimmer des Rieß besichtigt und eine Wiederholung des Pochens an die Fensterläden gemacht. Darauf wurde der gegenüberliegende Speicher besichtigt, in dem Rieß das Mordgewehr angeblich versteckt haben soll. Auch hiervon konnten die Berichterstatter nichts sehen.

Nachmittags wurde die Verhandlung im Schwurgerichtssaale fortgesetzt.

Der Erste Staatsanwalt teilte mit, daß eine Reihe von anonymen Schreiben an ihn gekommen seien. Ein Schreiben war unterschrieben: „Ein Geschworener.“ Der Briefschreiber erklärte den Gerichtshof für verrückt. (Heiterkeit.) Die Geschworenen erklärten einmütig, daß der Briefschreiber selbstverständlich nicht in ihren Reihen zu suchen sei. – In einem anderen Briefe bezeichnete eine Frau ihren

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/56&oldid=- (Version vom 31.7.2018)