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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

weder jemals Geld noch ein Angebot empfangen. Was nun die Beförderung der Briefe anlangt, so bestand bei uns der Grundsatz, Briefe an Staatsanwaltschaften sämtlich zu befördern. Wir sind in dieser Beziehung sogar so weit gegangen[WS 1], daß wir von Staatsanwaltschaften ersucht wurden, dafür zu sorgen, daß sie nicht mit Briefen gar zu sehr überschwemmt werden. Alle Briefe von Lubecki sind nicht befördert worden, zumal er oftmals hinterher sagte: Ich bin ein Schuft, ein Schurke, es ist sehr gut, Herr Doktor, daß die Briefe nicht abgeschickt worden sind. Daß Lubecki den Wunsch geäußert hat, den Landeshauptmann sprechen zu wollen, kann ich nicht glauben; hätte er einen solchen Wunsch geäußert, dann würde ich ihm gesagt haben: „Teilen Sie dies dem Oberpfleger mit.“ Es lag absolut keine Ursache vor, Herrn Lubecki dem Landeshauptmann nicht vorzustellen. Wir haben so viel Kranke, daß wir froh sind, wenn wir einen weniger haben. – Vors.: Wohl ebenso, wie wir froh sind, wenn wir einen Prozeß weniger haben? (Allgemeine Heiterkeit.)

Angeklagter Schneidt: Weshalb wurde aber der Mann trotz aller Bitten nicht entlassen? – Zeuge: Darüber hatte ich nicht zu befinden, das war Sache des Direktors. – Auf weiteres Befragen bekundete der Zeuge: Lubecki habe ohne jede Scham von den intimsten Vorgängen seines Ehelebens gesprochen. Oft sei er verstört gewesen, er bezog jede Äußerung von Pflegern und anderen Leuten auf sich und bildete sich ein, daß an den Wänden gehorcht werde. Er sah in jeder Maßnahme eine ungeheuerliche Beeinträchtigung seiner Person. Bald lachte er und sprang im Zimmer umher, bald warf er sich auf die Knie, rang die Hände und geriet in Verzweiflung. Er vernachlässigte auch sein Äußeres, so daß es den übrigen Insassen, die den besseren Ständen angehörten, unangenehm war. Er lief in Strümpfen oder Pantoffeln umher, oft in Hemdärmeln. Er hatte verschiedene Eingaben an den Landeshauptmann, an den Staatsanwalt

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gegegangen
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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/295&oldid=- (Version vom 10.10.2022)