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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

Überzeugung nicht wahr. Erklären Sie die Angeklagte des Totschlags schuldig, aber bewilligen Sie ihr mildernde Umstände. Folgen Sie der zweiten Alternative des Geheimrats Kortum, der da sagte: Wenn die Behauptungen der Angeklagten nicht wahr sind, ist sie für ihre Tat verantwortlich. Aber sie ist hysterisch und bis zur Vernichtung ihres eigenen Lebens bis aufs Blut gepeinigt worden. Reimann war in der letzten Zeit kein besonders achtungswertes Mitglied der Menschheit. Sie werden das Richtige finden, wenn Sie die Schuldfragen in meinem Sinne beantworten.

Verteidiger R.-A. Dr. Ledermann wies an einzelnen Punkten nach, daß Reimann nicht wahrheitsliebend war, daß er ein phantastischer Phrasenheld gewesen sei, der von sich selbst renommierte. Nicht Liebe habe der Angeklagten ein größeres Interesse für Reimann eingeflößt, sondern ein gewisses Mitleid. Er sei ihr als ein netter, guter Kerl erschienen, bis er nach und nach seine wahre Natur zeigte. Wenn sie ihn geliebt hätte, dann würde sie doch niemand gehindert haben, ihm allein anzugehören. Sie liebte ihn nicht, sondern hatte Angst vor ihm, der alles daran setzte, sie ganz unter seine Macht zu bekommen; sie hatte Angst um ihre Stellung, Angst um ihre Mutter, deren Ernährerin sie war. Auch Reimann liebte die Angeklagte nicht, sonst wäre er nicht so gemein gegen sie vorgegangen, denn es ist nicht mehr als wahrscheinlich, daß er sie nicht nur beschimpft, sondern auch daran gedacht hat, sie zur Dirne zu machen und ihr Zuhälter zu werden. Die Angeklagte sei keine Person, der man die Absicht zu morden oder zu töten zutrauen könne. Sie sei

ein lustiger, fröhlicher Kerl

gewesen, ein Sonnenschein für alle, die mit ihr zu tun gehabt haben, deren Gutmütigkeit, Stolz und deren Ehrgefühl von den verschiedensten Zeugen bekundet wurde. Die Angeklagte habe nie die Absicht gehabt, zu töten, sondern nur die, sich selbst das Leben zu nehmen. – Die Darlegungen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/264&oldid=- (Version vom 7.3.2023)