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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

nicht aus Stolz, den man mir angedichtet, sondern aus dem persönlichen Gefühl heraus, nur nicht einem Menschen auf die Nerven fallen, oder etwa als armes Mädchen Verbindungen heischen zu wollen. Daher ergab es sich, daß ich nie zu einer Freundin gekommen war.

Ich habe viele Herren kennen gelernt, habe aber immer gesehen, alles möglichst vorübergehend zu behandeln. Sie waren ja alle so geckig, daß ich ihnen sehr bald die Wahrheit sagte, die natürlich wehtat.

Aus der ersten natürlichen Veranlagung heraus, mich nicht Menschen anzuketten, zweitens dem absoluten Nichtbegehren eines Mannes und drittens eingedenk der Worte, daß ich eine Müller sei, war es mir nie schwer, selbst goldenen Fallen zu entgehen.

Im Oktober führte der Zufall mich wieder mit Dr. Sternberg zusammen. Er war inzwischen verreist gewesen. Wir sahen uns häufig, aber nur kurze Zeit, da er sich neben seinem Beruf noch literarisch betätigte. Ich ging den Winter über auch in seiner Wohnung aus und ein und gewann ihn ganz langsam recht lieb. Er hatte eine überaus zarte Art, den Zwischenraum zwischen uns so gut zu überbrücken, daß er mir so bald zu einem Erzieher wurde, dem ich manches an Benehmen ablernte, und ich wurde ihm zu einer harmlosen Unterhaltung für wenige übrige Zeit. Es war noch immer ein Verliebtgetue, aus dem erst im April 1912 ein richtiges Liebesverhältnis wurde. Trotzdem auch hierbei mir das Herz nicht mit dem Verstand durchging, indem ich mich ganz in Liebesfesseln einwühlte, ließ ich manches, was ihm nicht behagte, und da ich merkte, daß es zu meinem Vorteil, gab ich vielfach meine Freiheitsbestrebungen auf, schloß mich ihm wohl auch an, ließ aber immer eine Schranke zwischen uns, die es uns in jedem Augenblick ermöglichen sollte, ohne jeden Mißklang einander freizugeben. Ich machte mich in keiner Beziehung von ihm abhängig, und kam ihm auch nie mit irgendwelchen Miseren, deren ich

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/217&oldid=- (Version vom 15.2.2023)