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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

ein, um mit meinem Gehalt von 45 Mark auszukommen. Durch Zufall wurde noch die Kinderfräuleinstelle bei meinem Chef, dem Zahnarzt Dr. Oppler, bei dem ich als Empfangsfräulein tätig war, frei, und ich übernahm noch mehr Arbeit gegen eine monatliche Entschädigung von 10 Mark und Verpflegung. Es wird eigenartig klingen, daß zwei Menschen mit dem Geld auskamen, aber es ging, wenn auch gerade nur... Meine Garderobe stellte ich mir mit äußerst geringen Mitteln selbst her, und meine Mutter war noch versorgt. Ich hielt das vierzehn Monate durch und lernte in den letzten Monaten abends in einem Schnellkursus auf einer Handelsschule Stenographie und Schreibmaschine und suchte dann eine neue Stellung.

Ich fand solche bei Herrn Rechtsanwalt Dr. Freundlich, der eine kleine Praxis hatte und eine Anfängerin brauchte. Ich war drei Monate für ein Gehalt von 25 Mark bei ihm tätig. Da bot sich mir Juli 1911 die Stellung im Hause Mittlers Sort. (A. Bath), Mohrenstraße 19. Ich wurde dort mit einem Gehalt von 60 Mark als Expedientin engagiert. Nach einem halben Jahr bekam ich eine Zulage von 15 Mark. Ich war sehr stolz auf diese, wie mir schien, fürstliche Gage und fühlte mich recht wohl dort, zumal mein Chef, ein äußerst liebenswürdiger Herr, stets herzlich nett zu mir war. Ich darf wohl behaupten, mich einer gewissen Beliebtheit erfreut zu haben. Mein freies, heiteres Wesen sprach an, und selbst die Gattin meines Chefs, die häufig ins Geschäft kam, war stets recht liebenswürdig zu mir. In diesem Sommer, 1911, ging meine Mutter, die in den letzten Jahren so ungemein viele Entbehrungen erlitten, die einen alten Menschen von 56 Jahren, der im Leben unendlich schwere Schicksalsschläge ertragen, ja weit härter ankommen wie einem jungen, zu ihrer Schwester, die im Frühjahr in Fangschleuse eine Familienpension übernommen hatte, einer Frau Brachwitz. Auf dem Wege dorthin begleitete ich sie und sah dort Herrn Dr. Sternberg. Ich

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/215&oldid=- (Version vom 15.2.2023)