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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

6., 7. Jahre, kann ich mich nur so weit besinnen, als ich durch Erzählungen meiner Mutter oder Verwandten unterstützt werde, da eine mehrwöchentliche Nervenkrankheit im 12. oder 13. Jahre eine Gedächtnisschwäche für längere Jahre zurückliegende Ereignisse zur Folge hatte. Ich weiß aber aus Schilderungen, daß ich ein außerordentlich geistig reges Kind war, ich war auch ziemlich graziös und zeigte ungefähr im 5. Jahr ein auffallendes Talent zum Theaterspiel. Im Umgang mit Kindern hatte ich eine Art, mir möglichst die Herrscherrolle anzueignen und dachte und handelte stets für die mitspielenden Kinder, ohne aber zänkisch und trotzig zu sein. Lange machte mir jedoch solch Spiel nicht Spaß, ich zog Erwachsene Kindern vor, da diese ja eher meiner Gedankenrichtung folgen konnten. Ich liebte es besonders, von Erwachsenen in Gespräche gezogen zu werden, was häufig geschah, da man sich an meiner anmutig, bescheidenen, aber doch altklugen Art zu fragen oder Bemerkungen zu machen, belustigte. Im 6. Jahre weiß ich, daß meine Brüder vielfach in einer studentischen Verbindung verkehrten, die in den Vereinszimmern eines Familien-Stammlokales ihre Kommersabende und Sitzungen abhielt. Es war mir eine diebische Freude, mich dort gelegentlich einzuschmuggeln und hatte mir bald einen liebenswürdigen, netten Studenten herausgeangelt, den ich allen als „meinen Freund“ vorstellte. Ich war bald der erklärte Liebling sämtlicher Stammtische und durfte auch manchmal allen Anwesenden „mit dem ganzen Inhalt eines kleinen Himbeers“ kommen. Bald war jedoch die Zeit da, die dem Spiel ein Ende machte, indem ich zur Schule geschickt wurde, und zwar besuchte ich eine Charlottenburger Volksschule, in der ich mich zwar sehr wenig wohl fühlte, aber dafür die letzten Bänke drückte. Ich konnte mich absolut nicht an das aufmerksame Stillsitzen gewöhnen, sondern bevorzugte, da ich viel Schick zur Frisierkunst hatte, mich mit den Zöpfen meiner Vorsitzenden zu beschäftigen, was mir

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/210&oldid=- (Version vom 15.2.2023)