Hamm: Die Bekundung dieses Zeugen beweist wieder einmal, daß Mallmann eine ganz besondere Befähigung hat, falsch zu verstehen. – Mallmann tritt, sichtlich entrüstet über diese Aeußerung des Oberstaatsanwalts, vor den Zeugen Ahls und hält diesem vor, daß er sich erinnern müsse, Frau Winthuis habe gesagt, sie habe am Peter-Paulstage im Küppers’schen Garten einen Juden winken sehen. – Ahls giebt schließlich zu, eine ähnliche Aeußerung von Frau Winthuis gehört zu haben.
Frau Winthuis, die hierauf als Zeugin erscheint, bekundet: Sie habe am Peter-Paulstage, Nachmittags zwischen 2–4 Uhr, einen jungen Menschen in dem Küppers’schen Garten auf- und abgehen sehen. Der junge Mensch sei 15, 16 oder 18 Jahre alt gewesen. – Präs.: Haben Sie den jungen Mann erkannt? – Zeugin: Nein, ich glaube, es war ein Fremder. – Präs.: Fiel Ihnen etwas an dem Menschen auf? – Zeugin: Ja. – Präs.: Was fiel Ihnen auf? – Zeugin: Weil der Mensch fortwährend auf- und abging und ich einen Fremden noch niemals im Küppers’schen Garten gesehen habe. – Präs.: Haben Sie den jungen Mann winken sehen? – Zeugin: Nein. – Präs.: Mallmann behauptet: Sie hätten gesehen, wie der Mann mit der Hand gewinkt hat. – Zeugin: Nein, das habe ich nicht gesehen. – Präs.: Herr Isaak, treten Sie einmal vor. Nun, Frau Winthuis, sehen Sie sich diesen Mann an, war das der, den Sie am Peter-Paulstage Nachmittags in dem Küppers’schen Garten gesehen haben? – Die Zeugin sieht sich den Zeugen Isaak (ein großer Mann mit Vollbart, im Alter von etwa 35 Jahren) von allen Seiten an und bemerkt: Nein, dieser Mann ist es nicht gewesen. – Präs.: Sie kennen den kleinen Siegmund Buschhoff? – Zeugin: Jawohl. – Präs.: Dieser ist Ihnen auch schon einmal vorgestellt worden? – Zeugin: Jawohl, aber der Siegmund ist es auch nicht gewesen. – Präs.: War es etwa der alte Buschhoff selbst? – Zeugin: Nein, der war es gewiß nicht. – Präs.: War es ein Jude oder ein Christ? – Zeugin: Ich will nichts bestimmt behaupten, aber ich bin der Meinung: es war eher ein Jude als ein Christ. (Heiterkeit im Auditorium). – Präs.: Ich fordere das Publikum auf, sich vollständig ruhig zu verhalten, andernfalls bin ich genöthigt, den Zuhörerraum räumen zu lassen.
Es trifft alsdann ein Brief ein, in dem zwei Leute in Xanten namhaft gemacht werden, die die Bekundungen
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/84&oldid=- (Version vom 31.7.2018)