gehörten Gutachten bemerken, daß die obduzirenden Aerzte den Vorzug haben, den Thatbestand zu sehen, während die Herren Kritiker nur nach den Obduktionsprotokollen urtheilen.
Vertheidiger Rechtsanwalt Stapper: Herr Professor! Verliert ein wissenschaftliches Gutachten an Werth, wenn die Abgabe desselben nur auf Grund der Obduktionsprotokolle geschehen ist?
Professor Dr. Küster: Die objektiven Obduktionsbefunde geben eine hinreichende Grundlage, um ein wissenschaftliches Gutachten abzugeben. Es kommt im vorliegenden Fall noch hinzu, daß wir die Kleider des ermordeten Kindes gesehen haben.
Geh. Medizinalrath Professor Dr. Trendlenburg (Bonn), Mitglied des Medizinal-Kollegiums der Rheinprovinz: Er schließe sich dem Gutachten des Medizinal-Raths Dr. Kirchgäßer, beziehungsweise dem Gutachten des Medizinal-Kollegiums der Rheinprovinz vorinhaltlich an.
Kreiswundarzt Dr. Nünninghoff bemerkt: Er müsse dem Gutachten des Professors Dr. Köster widersprechen, daß der Mord auch mit einem anderen scharfkantigen Instrument, als mit einem Messer, ausgeführt sein könne. Er behaupte, daß der Mord nur mit einem Messer ausgeführt sein könne.
Geh. Medizinal-Rath Prof. Dr. Pellmann (Bonn) tritt ebenfalls dem Gutachten des Medizinal-Kollegiums und den anderen hier vernommenen Gutachtern bei. Er halte ebenfalls die bei Buschhoff vorgefundenen Messer für vollständig ungeeignet zur Durchschneidung des Halses und müsse sein Bedauern aussprechen, daß Herr Kreisphysikus Dr. Bauer in einer Sache von so weittragender Bedeutung ein so bestimmtes Urtheil abgegeben habe. Er habe ebenfalls die Ueberzeugung, daß die That am Fundorte geschehen, daß der Schnitt jedoch kein Schächtschnitt sei und daß von einem Ritualmord absolut nicht die Rede sein könne.
Präsident Herr Kluth: Herr Geheim-Rath, Sie sind ja Vorsteher einer Irrenanstalt, liegt die Möglichkeit vor, daß der Mord von einem Verrückten ausgeführt ist?
Sachverständiger: Jawohl, diese Möglichkeit ist auch vorhanden.
Es erscheint alsdann der Zeuge Kriminalkommissar Wolff (Berlin.)
Präs.: Herr Kriminalkommissar, wir wollen Sie jetzt noch nicht über den gesammten Thatbestand vernehmen, sondern nur darüber, wodurch Sie zu der Ansicht gelangt
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)